ZIVILRECHT
Ausfahrten darf man nicht blockieren – Ausstiege auch nicht
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Zwei Gewerbetreibende sind Nachbarn in einem Anwesen in Milbertshofen und haben dort Geschäftsräume angemietet. Der Kläger hat im Untergeschoss Lagerräume angemietet, die einen Ausstieg, der nicht als Notausstieg gekennzeichnet ist, über ein Kellerfenster zum Parkplatz im Hof haben. Zur Hoffläche ist der Ausstieg durch ein waagerechtes, aber aufklappbares Metallgitter geschützt. Auf diesem Metallgitter lagerte in der Vergangenheit immer wieder Material. Der Kläger hat den Beklagten mehrfach darauf hingewiesen und aufgefordert, den Ausstieg freizuhalten. Der Beklagte leitete die Briefe des Klägers, teilweise zerknüllt und mit Anmerkungen wie „Notausfahrt freihalten“ oder „Unsinn“ versehen, an den Kläger zurück. Auch ein Anwaltsschreiben, mit dem der – spätere - Beklagte zur Unterlassung aufgefordert wurde, blieb erfolglos. Das Problem: Dass der Beklagte selbst Gegenstände auf dem Gitter ablagerte, hatte niemand gesehen. Die Hoffläche ist für jedermann zugänglich.
Der Kläger trug nun dem Gericht vor, bei dem Ausstieg handele es sich um einen Notausstieg. Der Beklagte sei für wiederholte Blockierungen verantwortlich. Dafür gäbe es einen Zeugen.
Diesen Zeugen hat der zuständige Zivilrichter des Amtsgerichts München vernommen. Dieser schilderte, er habe an einem Samstag im Mai 2000 gegen 18.15 Uhr auf den Hof gesehen und habe festgestellt, dass der Hof leer war, bis auf den BMW des Beklagten. In den Geschäftsräumen des Beklagten sei Licht gewesen. Der Ausstieg sei zu diesem Zeitpunkt frei gewesen, einen halben Meter daneben sei eine schwere Tür gestanden. Kurze Zeit später sei er wieder auf den Hof gekommen, das Licht in den Geschäftsräumen des Nachbarn war gelöscht und die Tür stand ungefähr zehn Zentimeter auf dem Klappgitter. Der Zeuge, Mitarbeiter des Klägers, habe dann einen Brief an den Nachbarn gefaxt, dieser solle der Sache nachgehen und das abstellen. Dieser Brief kam dann zurück mit der „Quittung“ des Nachbarn und den Worten „Notausfahrt freihalten“. Am folgenden Montag habe er ihn dann angesprochen, was dann denn soll. (Der Nachbar hat selber eine derartige baugleiche Klappe). Darauf habe ihm der jetzt beklagte Nachbar gesagt: „Das ist nun mal so, wenn man Streit unter Nachbarn hat, dann ärgert man sich gegenseitig.
Auf Antrag des Klägers wurde der Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, den Ausstieg aus dem Lagerraum des Klägers im Hof des Anwesens zu blockieren und/oder zu verhindern, dass die Klappe dieses Ausstiegs im Ausmaß von 50x60 Zentimetern vollständig nach außen um 180 Grad aufgeklappt werden kann.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 wurde dem Beklagten die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 25.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu zwei Monaten angedroht.
Der zuständige Richter hat aufgrund der Zeugenaussage und der Gesamtumstände die Überzeugung gewonnen, dass der Beklagte die wiederholte Blockade veranlasst hat, wenn ihn auch niemand direkt dabei gesehen hat. Der Richter bejahte auch eine Wiederholungsgefahr. Insofern ist die durch das Blockieren an dem einen Samstag im Mai 2001 erfolgte Indizwirkung für weitere Eingriffe des Beklagten durch dessen nachfolgendes Verhalten nicht ausgeräumt worden. Eine Unterlassungserklärung wurde von ihm nicht abgegeben.
Ob es sich um einen Notausstieg oder einen normalen Ausstieg handelt, ist für den Anspruch des Klägers irrelevant. Das Besitzrecht des Klägers an den von ihm angemieteten Lagerräumen ist ein sonstiges Recht, das über § 1004 BGB analog geschützt wird. Das Besitzrecht umfasst das Recht zum ungehinderten Ein- und Ausgang bzw. Ein- und Ausstieg.
Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht, das Landgericht München I folgte der zutreffenden Begründung des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils:
1. Die Täterschaft des Beklagten kann zurecht aus der vom Zeugen bekundeten Äußerung mit verdecktem Geständnisgehalt und dem Randverhalten des Beklagten gefolgert werden.
2. Die Beeinträchtigungen waren nicht unerheblich.
3. Die Wiederholungsgefahr folgt trotz Klageerhebung erst im Oktober 2001 und zwischenzeitlichem Wohlverhalten des Beklagten aus der seinerzeitigen wiederholten, d.h. mindestens dreimaligen Begehung (d.h. Blockade).
Damit ist das Urteil rechtskräftig. Offensichtlich hat es seinen Zweck erreicht. Jedenfalls hat der Kläger keinen Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes seither gestellt. Möge es so bleiben. Die Sache mit dem Klappen klappt nur, wenn man sie klappen kann.
(Gz:163 C 29694/01 AG München 29 S 2898/02 LG München I)