VERSICHERUNGSVERTRAGSRECHT
D&O- Versicherung; Dritter im Sinne des § 108 Abs. II VVG und Vermutung der späteren Nichtinanspruchnahme des Schadenersatzpflichtigen
Autor: Dr. jur. Ulrich Stoklossa - Rechtsanwalt
Sachverhalt: Die Klägerin ist ein ausländisches Tochterunternehmen eines in Deutschland ansässigen Unternehmens. Im Jahr 2008 befürchteten die Versicherungsnehmerin, hier das deutsche Mutterunternehmen und der Prokurist des Tochterunternehmens, welches im Ausland seinen Sitz hatte, Währungsverluste dadurch, nahm daraufhin dass die ausländische Währung, in der die Produkte bezahlt werden mussten, starke Zuwächse im Währungsumtauschkurs erhalten könne und so die Erlöse, die in Euro auf dem Markt erzielt werden, zu Verlusten führen könnten. Es wurden daher Kurssicherungsgeschäfte mit Banken geschlossen, welche sich im Nachhinein als nicht erforderlich und kostspielig erwiesen haben. Den daraus für beide Gesellschaften entstandenen Schaden hat die deutsche Muttergesellschaft an die ausländische Tochtergesellschaft abgetreten. Diese nahm daraufhin als Anspruchstellerin und Klägerin die deutsche Gesellschaft auf Schadenersatz in Anspruch.
Im Rahmen des D&O Vertrages war auch die sog. Innenhaftung mit eingeschlossen. Der Anspruch war von der Klägerin aus abgetretenem Recht der Beklagten D&O Versicherung gegenüber geltend gemacht worden. Die Beklagte wendete ein, dass das Tochterunternehmen nicht als geschädigter „Dritter“ im Sinne von § 108 Abs. II VVG gelten könne. Die Versicherungsbedingungen sahen vor, dass eine Abtretung des Anspruchs ann den geschädigte Dritten zulässig sei, jede andere Abtretung dagegen unzulässig. Mit dieser Begründung lehnte die Beklagte D&O Versicherung den Anspruch ab. Ferner gab sie an, dass eine Haftungsinanspruchnahme des Versicherten in Wirklichkeit nicht beabsichtigt sei.
Urteil des BGH: Der BGH (Urt. v. 13.04.2016, IV ZR 304/13) hat das klageabweisende vorinstanzliche Urteil aufgehoben und die Rechtssache an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Er begründete sein Urteil damit, dass in Fällen der Innenhaftung, welche hier versichert gewesen ist, Dritter i. S. des § 108 Abs. II VVG auch das in den Versicherungsschutz einbezogene Tochterunternehmen sein könne.
Ferner sei ein Anspruch nicht damit zu verneinen, dass die Erwägung erhoben wird, die Klägerin werde im Innenverhältnis den Schädiger nicht in Anspruch nehmen.
Text des § 108 VVG:
Verfügung über den Freistellungsanspruch
(1) Verfügungen des Versicherungsnehmers über den Freistellungsanspruch gegen den Versicherer sind dem Dritten gegenüber unwirksam. Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung gleich.
(2) Die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten kann nicht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden
(Ende d. Gesetzesauszugs).
Die herrschende Meinung nehme nach Ansicht des BGH zutreffend an, dass auch ein Unternehmen als Versicherungsnehmerin einer D&O-Versicherung in Innenhaftungsfällen geschädigter Dritter im Sinne von § 108 Abs. 2 sei, so dass ein in Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregeltes Verbot, den Freistellungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag vor seiner endgültigen Feststellung abzutreten, der Abtretung an die geschädigte Versicherungsnehmerin nicht entgegenstehe (Baumann, r+s 2011, 229, 230 ff.; Koch, r+s 2009, 133, 135 f.; Lange, r+s 2011, 185, 187; Langheid, NJW 2007, 3745, 3746; Römer/Langheid/Langheid, VVG 4. Aufl. § 108 Rn. 20; Langheid, VersR 2009, 1043; Langheid/Goergen, VersPrax 2007, 161, 166; Klimke, r+s 2014, 105, 114; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, VVG 2. Aufl. § 100 Rn. 33a; Bruck/Möller/Koch, VVG 9. Aufl. § 108 Rn. 33; Staudinger/Richters, DB 2013, 2725, 2726; Terno, SpV 2014, Die herrschende Meinung nehme zutreffend an, auch ein Unternehmen sei als Versicherungsnehmerin einer D&O-Versicherung in Innenhaftungsfällen geschädigter Dritter im Sinne von § 108 Abs. 2, so dass ein in Allgemeinen Versicherungsbedingungen ge-regeltes Verbot, den Freistellungsanspruch aus dem Versicherungsver-trag vor seiner endgültigen Feststellung abzutreten, der Abtretung an die geschädigte Versicherungsnehmerin nicht entgegenstehe (Baumann, r+s 2011, 229, 230 ff.; Koch, r+s 2009, 133, 135 f.; Lange, r+s 2011, 185, 187; Langheid, NJW 2007, 3745, 3746; Römer/Langheid/Langheid, VVG 4. Aufl. § 108 Rn. 20; Langheid, VersR 2009, 1043; Langheid/Goergen, VersPrax 2007, 161, 166; Klimke, r+s 2014, 105, 114; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, VVG 2. Aufl. § 100 Rn. 33a; Bruck/Möller/Koch, VVG 9. Aufl. § 108 Rn. 33; Staudinger/Richters, DB 2013, 2725, 2726; Terno, SpV 2014, 2, 5 ff.; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 41 ff.; Prölss/Martin/Voit, VVG 29. Aufl. Ziff. 10 AVB-AVG Rn. 2).
Bezwecke der geschädigte Haftpflichtgläubiger mit der Inanspruchnahme des Schädigers vorwiegend oder sogar ausschließlich den Zugriff auf dessen Deckungsanspruch, um damit am Ende direkt gegen den Versicherer vorgehen zu können, liege darin anders als die Revisionserwiderung meint auch kein treuwidriges oder sittenwidriges Vorgehen i. S. der §§ 242, 138 BGB.
Stellungnahme des Verfassers: Im vorliegenden Fall dürfte der Versicherer die Haftung im Ergebnis wohl nur dann ablehnen können, wenn das Kursicherungsgeschäft und deren Kosten vom Versicherungsnehmer nicht pflichtwidrig veranlasst worden sind, sondern risikogerecht gewesen ist.
Mitgeteilt durch: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Walter Stoklossa, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Versicherungsrecht und Familienrecht, Aschaffenburg (06021/585 1270), Marktheidenfeld (09391/916670) und Würzburg (Tel. 0931/406 200 62), www.radrstoklossa.de.