ARBEITSRECHT
Entscheidung: Kein Annahmeverzugslohn für alkoholkranke Kinderpflegerin
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Alkoholkranke Kinderpflegerin verliert Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach Rückfällen. © Stockfotos MG - stock.adobe.com
Mainz (jur). Eine alkoholkranke Kinderpflegerin muss nach mehreren Rückfällen damit rechnen, dass sie von ihrem Arbeitgeber nicht mehr als leistungsfähig eingestuft wird. Hat der Arbeitgeber die Frau gekündigt und sie bis Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellt, kann sie bei einer fehlenden Leistungsfähigkeit keinen Annahmeverzugslohn beanspruchen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am Montag, 28. August 2023, veröffentlichten Urteil (Az.: 5 Sa 150/22).
Die alkoholkranke Klägerin hatte seit 1984 in einer katholischen Kita im Bistum Trier als Kinderpflegerin gearbeitet. Nach einer stationären Suchttherapie 2017 wurde sie ein Jahr später rückfällig. Der Kita-Betreiber führte mit Zustimmung der Klägerin schließlich 2019 tägliche Alkoholtests durch. Als diese viermal positiv ausgefallen waren und die mittlerweile von der Arbeit freigestellte Frau auf einer Weihnachtsfeier nach Angaben des Arbeitgebers in volltrunkenem Zustand erschienen war, wurde ihr mehrfach gekündigt, zuletzt am 6. April 2020 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist.
Infolge der Kündigungen meldete sich die Frau ab 1. Januar 2020 arbeitslos. Das LAG löste nach einem Teilvergleich mit Urteil vom 15. April 2021 das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2020 auf (Az.: 5 Sa 331/20).
Der Kita-Betreiber lehnte es ab, der Erzieherin für das Jahr 2020 Lohn zu zahlen. Als rückfällig gewordene Alkoholikerin sei sie das ganze Jahr über arbeitsunfähig erkrankt gewesen, auch wenn nicht für den ganzen Zeitraum Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegen hätten. Denn sie habe ihre Arbeitskraft infolge der aufgetretenen Rückfälle nicht ordnungsgemäß anbieten können.
Die Klägerin verlangte für das Jahr 2020 Annahmeverzugslohn sowie Weihnachtsgeld in Höhe von insgesamt 40.310 Euro brutto, abzüglich 15.571 Euro netto für erhaltenes Arbeitslosengeld. Kein Anspruch bestehe nur für zwei Monate, wo sie tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sei.
Während das Arbeitsgericht Koblenz der Klägerin noch recht gab, wies das LAG mit Urteil vom 25. Mai 2023 die Klage ab. Zwar habe der Arbeitgeber die Frau ab 2. Dezember 2019 freigestellt und ihr danach keine Tätigkeit mehr zugewiesen. Ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn bestehe dennoch nicht, da die Klägerin aus in ihrer Person liegenden Gründen außerstande gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Wegen ihrer Alkoholerkrankung und den von der Arbeitgeberin geschilderten Rückfällen habe sie als „nicht leistungsfähig“ eingestuft werden dürfen.
Der Arbeitgeber habe hierfür Indizien vorgebracht, die diese Schlussfolgerung nahelegen. So sei sie mehrfach rückfällig geworden, Alkoholtests seien positiv ausgefallen. Eine weitere Suchttherapie habe sie erst im Sommer 2020, und damit deutlich nach den Kündigungen begonnen. Das Verhalten der Klägerin lasse auf eine Therapieunwilligkeit schließen. Allein die abstrakte Gefahr einer erneuten Alkoholisierung lasse allerdings nicht auf eine Leistungsunfähigkeit schließen. Hier habe jedoch eine konkrete Gefahr für Alkoholrückfälle vorgelegen.
Die von der Schweigepflicht entbundenen Ärzte und eine Soziotherapeutin konnten laut LAG nicht die Leistungsfähigkeit bestätigen. Teils kannten die benannten Ärzte die Klägerin gar nicht. Eine Mitarbeiterin einer Caritas-Suchtberatungsstelle sowie ein behandelnder Oberarzt, bei dem die Klägerin eine Suchttherapie durchgeführt hatte, wurden dagegen nicht von der Schweigepflicht entbunden. Die Klägerin habe die von der Arbeitgeberin vorgebrachte die konkrete Rückfallgefahr nicht entkräften können, so dass kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn bestehe, urteilte das LAG.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock