ARBEITSRECHT
Feuerwehrbeamter auch nach positivem HIV-Test
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Berlin (jur). Eine HIV-Infektion rechtfertigt nicht die generelle Ablehnung als Feuerwehrbeamter. Weil die Erkrankung als Behinderung gilt, können abgelehnte Bewerber gegebenenfalls eine Diskriminierungsentschädigung verlangen, entschied das Verwaltungsgericht Berlin in einem am Mittwoch, 19. Oktober 2022, bekanntgegebenen Urteil (Az.: 5 K 322.18). Es sprach dem Kläger eine Entschädigung von 2.500 Euro zu.
Der Kläger hatte sich 2018 mit 23 Jahren als Beamter für den feuerwehrtechnischen Dienst des Landes Berlin beworben. Zwei Monate zuvor hatte er erfahren, dass er HIV-positiv ist. Ein Test, den das Land bei allen Bewerbern routinemäßig durchgeführt hatte, fiel dann ebenfalls positiv aus.
Das Land meinte, ein HIV-positiver Bewerber sei „dauerhaft feuerwehrdienstuntauglich“. Deshalb lehnte es den Kläger ab.
Der Kläger meinte, seine HIV-Infektion stehe einer Einstellung nicht entgegen. Seine Virenlast sei jedenfalls inzwischen so gering, dass Ansteckungen praktisch ausgeschlossen seien. Wegen einer unzulässigen Benachteiligung forderte er eine Entschädigung von mindestens 5.000 Euro.
Hierzu stellte das Verwaltungsgericht nun zunächst fest, dass die HIV-Infektion eine Behinderung ist. Denn sie beeinträchtige die gesellschaftliche und – wie der konkrete Streit zeige – auch die berufliche Teilhabe. Dies habe auch bereits das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt so entschieden (Urteil vom 19. Dezember 2013, Az.: 6 AZR 190/12; JurAgentur-Meldung vom Folgetag).
Der Feuerwehrbewerber, so das Verwaltungsgericht, könne sich daher auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz stützen, das Benachteiligungen wegen einer Behinderung verbiete. „Das gilt so lange, wie das gegenwärtig auf eine solche Infektion zurückzuführende soziale Vermeidungsverhalten und die darauf beruhenden Stigmatisierungen andauern“, heißt es in dem auch bereits schriftlich veröffentlichten Urteil vom 23. September 2022.
Hier habe das Land seine Ablehnung vorrangig auf den „HIV-Status“ gestützt. Damit habe es den Kläger „wegen seiner Behinderung weniger günstig behandelt“ und dabei „an ein verpöntes Merkmal angeknüpft“.
Diese Benachteiligung sei nicht gerechtfertigt, so das Verwaltungsgericht weiter. Es sei „nicht erforderlich, jeden Bewerber mit positivem HIV-Status vom Zugang zum Berliner Feuerwehrdienst auszuschließen“. Vor einer Ablehnung habe sich das Land daher näher mit den Auswirkungen beschäftigen müssen, die die HIV-Infektion konkret beim Kläger hat.
Zur Begründung stützte sich das Verwaltungsgericht auf die Aussagen eines Sachverständigen. Von einem HIV-positiven Bewerber, der sich einer funktionierenden HIV-Therapie unterzieht, gehe danach kein besonderes Infektionsrisiko aus. Denn die Virenlast könne mit Medikamenten unter die Nachweisgrenze gesenkt werden.
Die Prognose der Leistungsfähigkeit sei laut Gutachten ebenfalls nicht schlechter als bei anderen Bewerbern. Insbesondere sei es nicht sehr wahrscheinlich, dass die Nebenwirkungen von HIV-Medikamenten die Leistungsfähigkeit besonders beeinträchtigen würden. Auch krankheitsbedingt überdurchschnittliche Fehlzeiten oder eine vorzeitige Dienstunfähigkeit seien nicht zu erwarten.
Diesen Erkenntnissen habe das Land Berlin nicht widersprochen. Stattdessen habe es sogar seine Praxis dahingehend geändert, dass es Feuerwehrbeamte, die sich mit HIV infizieren, nicht mehr automatisch aus dem Dienst entlasse.
Bei der Ablehnung des Klägers habe sich das Land allerdings von diesem im Kern schon seit 2008 geltenden Erkenntnisstand nicht leiten lassen. Dem Kläger stehe daher eine Entschädigung in Höhe von 2500 Euro zu. Dabei berücksichtigte das Verwaltungsgericht „die erfolgte Stigmatisierung“. Allerdings sei der Mann im Zeitpunkt seiner Bewerbung noch nicht in einer HIV-Therapie gewesen. Nach dem Berliner Urteil war er daher zwar wohl „feuerwehrdienstuntauglich“, aber eben nicht „dauerhaft feuerwehrdienstuntauglich“.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock