ARBEITSRECHT
Für Polizeibewerber sind Mindestgrößen in NRW rechtswidrig
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Düsseldorf (jur). Aus Gleichberechtigungsgründen eingeführte unterschiedliche Mindestkörpergrößen für weibliche und männliche Polizeibewerber in Nordrhein-Westfalen sind rechtswidrig. Denn sie verstoßen gegen das im Grundgesetz verankerte Prinzip, nach dem der Zugang zum Beamtenverhältnis nur von Eignung, Befähigung und fachlicher Eignung abhängig gemacht werden darf, urteilte am Dienstag, 8. August 2017, das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Az.: 2 K 7427/17).
In Nordrhein-Westfalen müssen für die Einstellung in den Polizeidienst nach einem Erlass des NRW-Innenministeriums Frauen mindestens 163 Zentimeter und Männer mindestens 168 Zentimeter groß sein. Das Land geht zwar davon aus, dass für die körperliche Eignung 163 Zentimeter ausreichend sind. Gleichwohl hatte es für Männer eine höhere Mindestgröße verlangt.
Gleichberechtigung von Frauen und Männern
Begründet wurde dies mit der Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Würde für beide Geschlechter eine Mindestgröße von 163 Zentimeter verlangt, würde dies zu einer höheren Anzahl an männlichen Polizeibewerbern führen, so das Argument des NRW-Innenministeriums. Denn Männer seien im Bevölkerungsdurchschnitt größer als Frauen und würden daher eher die geforderte Mindestgröße erreichen.
Im konkreten Fall hatte sich die Klägerin 2017 erfolglos für den Polizeivollzugsdienst beworben. Sie sei nur 161,5 Zentimeter groß und unterschreite damit die festgelegte Mindestgröße. Doch das Verwaltungsgericht hielt dies für rechtswidrig. Da die Mindestgröße für Männer unwirksam sei, führe dies auch zur Unwirksamkeit der Mindestgrößen für Frauen.
Zugang zu einem Beamtenverhältnis
Denn nach dem im Grundgesetz verankerten Prinzip der Bestenauslese dürfe der Zugang zu einem Beamtenverhältnis nur von Eignung, Befähigung und fachlicher Eignung abhängig gemacht werden. Hier habe das Land eingeräumt, dass eine körperliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst bereits ab einer Mindestgröße von 163 Zentimeter vorliegt.
Das vom Land angestrebte Ziel, mit unterschiedlichen Mindestgrößen bei männlichen und weiblichen Polizeibewerbern die Gleichberechtigung zu fördern, habe zwar auch Verfassungsrang. Ausnahmen vom Prinzip der Bestenauslese dürften jedoch nur mit einem im Parlament erlassenen Gesetz geregelt werden. Hier habe das Innenministerium lediglich per Erlass die Mindestgrößen festgelegt. Die Klägerin könne nun verlangen, dass ihre Bewerbung erneut geprüft wird.
Die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Rechtsstreitigkeiten aufgrund der Mindestgrößen
Mindestgrößen für die Einstellung von Polizeibewerbern sind je nach Bundesland unterschiedlich geregelt und immer wieder Grund für Rechtsstreitigkeiten. So hatte das Verwaltungsgericht Berlin am 1. Juni 2017 entschieden, dass die Mindestgrößen von mindestens 160 Zentimeter für weibliche und 165 Zentimeter für männliche Bewerber in Berlin nicht zu beanstanden sind (Az.: 5 K 219.16; JurAgentur-Meldung vom 26. Juni 2017).
Die Mindestgröße für Frauen sei „für die Durchsetzungsfähigkeit bei körperlichen Auseinandersetzungen und für die Anwendung unmittelbaren Zwangs“ erforderlich. Kleinere Polizistinnen könnten „als unterlegen wahrgenommen werden und damit auch eher bevorzugtes Ziel von Widerstandshandlungen sein“.
Benachteiligung von Frauen
Für Hessen hatte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel eine für Männer und Frauen einheitliche Mindestgröße von 160 Zentimetern als rechtmäßig bewertet; die damit verbundene indirekte Benachteiligung von Frauen sei sachlich gerechtfertigt (Beschluss vom 25. August 2016, Az.: 1 B 976/16; JurAgentur-Meldung vom 13. September 2016).
In Nordrhein-Westfalen war auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen davon ausgegangen, dass die Polizei Mindestgrößen festlegen darf; allerdings müssten diese statistisch untermauert sein. Eine Regelung mit 163 Zentimetern für Frauen und 168 Zentimetern für Männer hatte das Gericht wegen unzureichender Begründung dieser Werte als rechtswidrig verworfen (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 14. März 2016, Az.: 1 K 3788/14).
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