ARZTRECHT
Hürden für Zwangsbehandlung bei psychisch Kranken
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Karlsruhe (jur). Bevor Ärztinnen und Ärzte einen psychisch Kranken zwangsweise behandeln dürfen, müssen sie den Betroffenen erst einmal zur freiwilligen Therapie-Teilnahme möglichst überzeugen. Dies müsse „ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks“ geschehen, bekräftigte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch, 9. März 2022, veröffentlichten Beschluss seine bisherige Rechtsprechung (Az.: XII ZB 159/21). Bevor Gerichte die ärztliche Zwangsmaßnahme genehmigen können, müssen sie in jedem Einzelfall nachprüfbar feststellen, dass der Überzeugungsversuch auch tatsächlich stattgefunden hat, so die Karlsruher Richter.
Konkret ging es um einen an einer Schizophrenie erkrankten Mann aus dem Raum Ludwigsburg. Die Polizei hatte ihn im Dezember 2020 in die geschlossene Psychiatrie gebracht. Das Amtsgericht Ludwigsburg verlängerte die Unterbringung und die Zwangsbehandlung des Mannes und hatte hierfür den behandelnden Oberarzt als Gutachter beauftragt, ohne dass dieser sich gegenüber dem Patienten als Sachverständiger zu erkennen gegeben hatte.
Das Landgericht hörte den Betroffenen an, wobei ein ergänzendes mündliches Gutachten eines anderen Sachverständigen zur Unterbringung erstattet wurde. Die Verlängerung der Unterbringung wurde daraufhin beschlossen, die Zwangsbehandlung weitgehend bewilligt. Von dem Kranken gehe eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter aus.
Die Karlsruher Richter hielten die zwangsweise Unterbringung zwar für rechtmäßig, nicht aber die beantragte ärztliche Zwangsbehandlung. Diese sei erst dann zulässig, „wenn zuvor ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht worden ist, den Betroffenen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen“.
Die landesrechtlichen Regelungen verlangten vom Arzt den Versuch, eine „auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen“. Das zuständige Gericht müsse dabei in jedem Einzelfall feststellen „und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darlegen“, dass solch ein Überzeugungsversuch zur Einwilligung in eine Therapie auch wirklich stattgefunden hat. Dies sei im Streitfall aber nicht erfolgt, so der BGH in seinem Beschluss vom 9. Februar 2022.
Zur zwangsweisen Unterbringung rügte das Gericht zwar, dass der erste Gutachter sich bei der Untersuchung des Betroffenen nicht als Sachverständiger zu erkennen gegeben hatte. In dem mündlich vor Gericht vorgetragenen ergänzenden Gutachten des zweiten Sachverständigen sei dies dem Betroffenen dann aber klar gewesen. Rügen dagegen habe er nicht eingelegt.
Dass vor einer ärztlichen Zwangsmaßnahme und -unterbringung in einer psychiatrischen Klinik erst einmal Überzeugungsarbeit zur freiwilligen Teilnahme an der Therapie geleistet werden muss, hatte der BGH auch bereits am 12. September 2018 entschieden (Az.: XII ZB 87/18; JurAgentur-Meldung vom 18. Oktober 2018). Erst wenn der Überzeugungsversuch für die erforderlich Behandlung gescheitert sei, sei eine ärztliche Zwangsmaßnahme zulässig.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock