ARBEITSRECHT
Kündigungsschutz außerhalb des KSchG: Das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB
Autor: Dr. Henning Kluge - Rechtsanwalt
Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt nur für Arbeitnehmer, die auch in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen. Das sind diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bereits länger als 6 Monate bestanden hat und die in einem Betrieb mit mehr als 10 Arbeitnehmern beschäftigt sind. Sind diese beiden Kriterien nicht erfüllt, genießt ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht den Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes.
Dennoch steht ein Arbeitnehmer auch in diesen Fällen einer Kündigung durch den Arbeitgeber nicht schutzlos gegenüber. Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, kann eine Kündigung unwirksam sein. Eine Kündigung darf z.B. auch bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht gegen das in § 612a BGB geregelte Maßregelungsverbot verstoßen. Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Kündigt ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis unter Verstoß gegen das Maßregelungsverbot, ist die Kündigung ohne weiteres unwirksam.
Allerdings steht der Arbeitnehmer in diesen Fällen vor der Schwierigkeit, dass er den Verstoß des Arbeitgebers gegen das Maßregelungsverbot im Kündigungsschutzprozess beweisen muss. Das bedeutet, der Arbeitnehmer muss beweisen, dass der Arbeitgeber die Kündigung gerade deshalb ausgesprochen hat, weil er - der Arbeitnehmer - ein ihm zustehendes Rechts ausgeübt hat. Dies ist häufig sehr schwierig. In vielen Fällen wird der Arbeitgeber als Reaktion auf den Vorwurf des Arbeitnehmers schlicht vortragen, dass die Kündigung rein gar nichts mit dem Verhalten des Arbeitnehmers zu tun gehabt habe, sondern allein aus „wirtschaftlichen Gründen" erfolgt sei.
An dieser Stelle kann dem Arbeitnehmer aber eine von der Rechtsprechung entwickelte Beweiserleichterung weiterhelfen. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte spricht ein sogenannter Anscheinsbeweis für das Vorliegen eines Verstoßes des Arbeitgebers gegen das Maßregelungsverbot, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Ausübung eines Rechts durch den Arbeitnehmer besteht. Für die Beweisführung durch den Arbeitnehmer reicht es deshalb grundsätzlich aus, wenn dieser vorträgt, dass er ein ihm zustehendes Recht ausgeübt hat und der Arbeitgeber die Kündigung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dieser Rechtsausübung ausgesprochen hat. Dann ist es Sache des Arbeitgebers, den Vorwurf des Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot zu entkräften.
Beispiele aus der Rechtsprechung:
- In einem vom LAG Schleswig-Holstein entschiedenen Fall hatte ein Kraftfahrer seinen Arbeitgeber schriftlich aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass ausreichend Sicherungsmittel für die Sicherung der Ladung zur Verfügung stehen. Drei Tage nach dieser Aufforderung kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs wegen der Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer (Verlangen nach ausreichenden Sicherungsmitteln) und der Kündigung spreche ein Anscheinsbeweis für das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot. Das Gericht entschied daher, dass die Kündigung unwirksam ist (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.06.2005 - 5 Sa 64/05).
- In einem vom Arbeitsgericht Hamburg entschiedenen Fall hatte ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber wiederholt neue Arbeitsschuhe verlangt. Wenige Tage nach der letzten Forderung des Arbeitnehmers nach neuen Arbeitsschuhen sprach der Arbeitgeber eine Kündigung aus. Das Arbeitsgericht Hamburg sah in der Kündigung wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der Forderung des Arbeitnehmers nach neuen Arbeitsschuhen einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot. Es gab der Kündigungsschutzklage es Arbeitnehmers deshalb statt (Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 31.08.2010 - 19 Ca 215/10).
Henning Kluge, Rechtsanwalt
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