ZIVILRECHT
Mithaftung für Pflegeplatzkosten darf nicht versteckt werden
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Karlsruhe (jur). Pflegeeinrichtungen dürfen Angehörige oder Betreuer nicht per Formular im Anhang eines Wohn- und Betreuungsvertrages dazu verpflichten, dass sie neben dem Pflegebedürftigen für alle Kosten aufkommen. Solch ein Schuldbeitritt darf nur im Wohn- und Betreuungsvertrag selbst vereinbart werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 21. Mai 2015 (Az.: III ZR 263/14).
Die Karlsruher Richter gaben damit weitgehend dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) recht. Die Verbraucherschützer hatten die Azurit Rohr GmbH auf Unterlassung verklagt. Das Unternehmen betreibt bundesweit mehr als 40 Senioren- und Pflegezentren.
Bei Interesse an einer Pflege erhielten Pflegeinteressierte einen Wohn- und Betreuungsvertrag sowie einen siebenseitigen Anhang ausgehändigt. Im Anhang war ein Formular enthalten, bei dem Angehörige oder Betreuer für „sämtliche Verpflichtungen“ als „Beitretende“ haften. Mit der Unterschrift haften diese dann für entstandene Kosten mit. Der Heimträger könne sich dann aussuchen, von wem er sich sein Geld holt, so der vzbv.
Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken urteilte am 2. Juli 2014, dass das Unterjubeln des Schuldbeitritts-Formulars im Anhang des Wohn- und Betreuungsvertrages gegen das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz verstößt (Az.: 1 U 143/13, JurAgentur-Meldung vom 14. August 2014). Erhalte der Pflegebedürftige neben dem Vertrag auch das im Anhang enthaltene Formular für den Schuldbeitritt, werde der Eindruck erweckt, dass die Unterschrift darunter für den Erhalt eines Heimplatzes erforderlich sei. Mit der Auslagerung in eine Anlage würden zudem die gesetzlichen Vorgaben umgangen, so das OLG.
Dem folgte weitgehend auch der BGH. Der Heimträger dürfe nach den gesetzlichen Bestimmungen zwar Sicherheiten „verlangen“, aber nur in Höhe des doppelten Heimentgelts. Die Regelungen dazu dürften aber nicht in Anlagen versteckt werden. Ob der Schuldbeitritt dabei überhaupt als Sicherheit „taugt“, ließ der BGH ausdrücklich offen.
Es werde zudem der falsche Eindruck erweckt, dass der Schuldbeitritt eine Voraussetzung für den Heimvertrag sei, so nun auch die obersten Zivilrichter. Vertrag und Anhang würden als „einheitliches Ganzes“ wahrgenommen, bei dem alles unterschrieben werden müsse. Da die Suche nach einem Heim- und Betreuungsplatz sowieso nicht leicht sei, sei der Druck auf Angehörige, Pflegebedürftige und Betreuer groß, die Schuldbeitritts-Erklärung unterschrieben vorzulegen.
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