FAMILIENRECHT
Nachteile durch Hausfrauenehe - zur Auslegung eines Ehevertrages
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Sachverhalt
Kurz vor ihrer Heirat im Dezember 1987 schlossen die Parteien einen Ehevertrag, in dem sie Gütertrennung vereinbarten und der folgende Regelung enthielt:
„Für den Fall der Scheidung ist der etwaige Unterhaltsberechtigte
berechtigt, von dem Unterhaltsverpflichteten einen monatlichen
Unterhalt in Höhe des Gehalts eines Beamten der Besoldungsgruppe
A 3, 10. Dienstaltersstufe - ohne Ortszuschlag - zu verlangen. Ein
etwaiger Zuverdienst des Unterhaltsberechtigten bleibt bis zur Höhe
dieses Unterhaltsbetrags bei der Unterhaltsberechnung außer
Betracht.“
Die Ehefrau, von Beruf Diplom-Kauffrau, war zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger, die gemeinsame Tochter wurde im Juli 1988 geboren. 1987 lag das Einkommen des Ehemannes bei ca. 5.700 bis 6.400 DM und er musste noch Unterhalt für zwei Kinder aus einer früheren Ehe zahlen. Die Eheleute hatten die Vorstellung, die Ehefrau werde trotz Versorgung des Kindes alsbald - wie auch zuvor - wieder arbeiten, dies geschah jedoch nicht, sie kümmerte sich vielmehr um das Kind und den gemeinsamen Haushalt. Im August 2002 trennten sich die Eheleute, im Oktober 2003 wurden sie geschieden. Das Einkommen des Ehemannes lag mittlerweile bei mehr als 11.000 Euro netto monatlich. Die Ehefrau fand trotz umfangreicher Anstrengungen keine angemessene Arbeit.
Sie verlangt deshalb Zahlung von Unterhalt in Höhe von insgesamt ca. 6.180 Euro nach dem ehelichen Bedarf, denn der Unterhaltsbetrag im Ehevertrag sei nur ein Mindestbetrag.
Der Ehemann hat lediglich eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 1.728 Euro anerkannt und ist der Auffassung, der Unterhalt sei durch den Ehevertrag abschließend geregelt.
Beiden Auffassungen konnte sich der 16. Zivilsenat nicht anschließen.
Entscheidungsgründe
Nach seiner Entscheidung hat die Ehefrau vielmehr Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gemäß § 1573 Abs. 1 BGB wegen Erwerbslosigkeit, der über den vertraglich vereinbarten hinausgeht.
Im Hinblick auf ihr Alter (55 Jahre) und die über 20jährige Pause in ihrem Berufsleben besteht für sie auf dem Arbeitsmarkt keine reale Beschäftigungschance, was sie durch eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen nachgewiesen hat. Für die Annahme, dass nur ein Mindestunterhalt im Vertrag geregelt sei, bieten weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vereinbarung einen Anhaltspunkt. Die Vereinbarung ist auch nicht sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB). Die Parteien sind der Auffassung, dass die festgelegte Höhe unter Berücksichtigung der damaligen Lebensverhältnisse angemessen war.
Es ist aber im Wege der vom Bundesgerichtshof vorgesehenen Ausübungskontrolle nach § 242 BGB (BGH FamRZ 2004, 601) - „Missbrauchsprüfung“ - eine Korrektur des Ehevertrages vorzunehmen. Dafür sind anders als bei der Wirksamkeitskontrolle die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft maßgebend. Ergibt sich aus diesem Blickwinkel eine einseitige Lastenverteilung, die für den belasteten Ehegatten - hier die Klägerin - unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Beklagten und dessen Vertrauen in die Geltung der getroffenen Vereinbarung sowie bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar ist, so ist diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die den berechtigten Belangen beider Parteien Rechnung trägt.
Eine Belastung durch die Vereinbarung ergibt sich für die Klägerin zum Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe daraus, dass sich die Einkommensverhältnisse des Beklagten im Verlauf der Ehe außergewöhnlich gut entwickelt haben, der Bedarf der Klägerin nach den ehelichen Lebensverhältnissen somit weit über dem durch die Vereinbarung festgelegten Unterhalt liegt. Erschwerend kommt zu ihren Ungunsten hinzu, dass die Vorstellung der Parteien beim Abschluss des Vertrages, sie werde wieder arbeiten und zusätzlich aus ihrer schriftstellerischen Tätigkeit einen geringen Zuverdienst erhalten, sich nicht verwirklicht hat. Heute hat die Klägerin im Hinblick auf ihr Alter keine reale Wiedereinstiegschance. Durch die Ehe hat sich somit für sie ein Nachteil ergeben, den sie jetzt, nach dem Scheitern der Ehe, aus eigener Kraft nicht mehr ausgleichen kann. Es ist unbillig, ihr diesen Nachteil im Hinblick auf die getroffene Vereinbarung nunmehr allein aufzuerlegen. Der Beklagte hat während der Ehe von der Haushaltsführung und Betreuung der gemeinsamen Tochter durch die Klägerin profitiert, da ihm die Klägerin dadurch nicht unwesentlich den Rücken für sein berufliches Fortkommen freigehalten hat. Sie jetzt allein die Konsequenzen der gemeinsamen Entscheidung zur Führung einer Hausfrauenehe tragen zu lassen, widerspricht der Billigkeit und ist der Klägerin nicht zumutbar, zumal ihr wegen der vereinbarten Gütertrennung kein Vorteil aus der positiven Entwicklung auf Seiten des Beklagten zufällt. Um den so erlittenen Erwerbsnachteil der Klägerin zu bemessen, kann auf die Vorstellungen zurückgegriffen werden, die die Parteien bei Abschluss des Ehevertrages hatten. Ein Zuverdienst der Klägerin in Höhe der vereinbarten Beamtenbesoldung erschien ihnen durchaus angemessen. Gemäß § 242 BGB ist die von den Parteien getroffene Vereinbarung deshalb dahingehend abzuändern, dass die Klägerin einen Anspruch in Höhe des zweifachen Grundgehaltes der Beamtenbesoldungsgruppe A 3 beanspruchen kann. Das sind gerundet 3.492 Euro.
Die Revision wurde zugelassen.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 15.07.2004 - 16 UF 238/03 -
Hinweis auf den Gesetzestext:
§ 1572 Abs. 1 BGB:
Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.
§ 242 BGB:
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.