FAMILIENRECHT
Regelungen zu Auslandskinderehen verfassungswidrig
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Auslandskinderehe © Symbolgrafik:© patrykolczak - stock.adobe.com
Karlsruhe (jur). Die gesetzlich festgelegte Unwirksamkeit von Auslandskinderehen ist verfassungswidrig. Zwar darf Deutschland ein Mindestalter für die Gültigkeit einer Ehe festlegen, es müsse dann aber auch die Folgen der Unwirksamkeit regeln, etwa über Unterhaltsansprüche, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch, 29. März 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvL 7/18). Zudem müsse gesetzlich die Möglichkeit bestehen, dass mit Erreichen der Volljährigkeit des Kindes die betroffene Auslandsehe wieder fortgeführt werden kann. Damit erklärten die Karlsruher Richter eine Regelung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen für verfassungswidrig und unwirksam. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, spätestens bis Ende Juni 2024, bleibt diese aber in Kraft.
Die am 17. Juli 2017 eingeführte Gesetzesvorschrift sieht vor, dass im Ausland rechtmäßig geschlossene Ehen in Deutschland als unwirksam gelten, wenn „der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte“. Mit der Nichtanerkennung von ausländischen Kinderehen wollte Deutschland das von UNICEF und den Vereinten Nationen verfolgte Ziel unterstützen, die Praxis der Kinderehen und eine damit einhergehende sexuelle Gewalt gegen Minderjährige zu beenden.
Im aktuellen Fall ging es um ein im August 2015 nach Deutschland geflohenes syrisches Ehepaar. Vor ihrer Flucht hatte es am 10. Februar 2015 vor einem Scharia-Gericht nach syrischem Recht geheiratet. Der Mann war damals 21 Jahre alt, seine Cousine war 14.
In Deutschland wurde die Jugendliche dann von ihrem Ehemann getrennt und in einer Jugendhilfeeinrichtung für weibliche minderjährige unbegleitete Flüchtlinge untergebracht. Das Jugendamt wurde zum Vormund bestellt.
Dem Ehemann wurde der Aufenthaltsort seiner minderjährigen Frau nicht mitgeteilt. Er beantragte die Rückführung seiner Ehefrau.
Doch das Jugendamt lehnte ab. Es liege nach deutschem Recht eine verbotene Kinderehe vor, da die Cousine ihn im Alter von 14 Jahren geheiratet habe. Die Jugendliche verfüge noch gar nicht über die nötige Reife für das Führen einer Ehe. Ein Umgang mit dem Ehemann berge zudem die Gefahr, dass es zu strafbaren sexuellen Handlungen zwischen dem erwachsenen Mann und der Jugendlichen komme.
Der Bundesgerichtshof (BGH) legte mit Beschluss vom 14. November 2018 das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor (Az.: XII ZB 292/16; JurAgentur-Meldung vom 14. Dezember 2018). Nach den deutschen Vorschriften seien Kinderehen generell verboten, wenn der Minderjährige unter 16 Jahre alt ist. Solch eine ausnahmslose Regelung sei verfassungswidrig.
Das Bundesverfassungsgericht erklärte in seinem Beschluss vom 1. Februar 2023 das derzeitige Verbot von Auslandskinderehen für verfassungswidrig und unwirksam, aber aus anderen Gründen. Die Regelung sei unverhältnismäßig und daher mit dem im Grundgesetz verbürgten Schutz der Ehe nicht vereinbar.
Allerdings dürfe der Gesetzgeber die Wirksamkeit von Auslandskinderehen pauschal von einem Mindestalter der Beteiligten abhängig machen und bei einem Unterschreiten von der Nichtigkeit der Ehe ausgehen. Dies diene dem legitimen Ziel des Minderjährigenschutzes. Der Gesetzgeber habe sich damit dem Ziel der Vereinten Nationen angeschlossen, insbesondere Mädchen vor den weltweit verbreiteten Kinder- und Zwangsehen zu schützen.
Für das Eingehen einer Ehe bedürfe es eines freien Willens beider Partner. Dies setze die Fähigkeit beider Partner voraus, die Eheentscheidung „selbstverantwortlich zu treffen“. Hierfür sei eine „hinreichende Persönlichkeitsentwicklung“ erforderlich. Der Gesetzgeber habe hier annehmen dürfen, dass unter 16-Jährige darüber noch nicht verfügen.
Das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen müsse auch keine Einzelfallentscheidungen vorsehen, wann eine Kinderehe doch wirksam ist. Denn würde solch ein Streit um die Wirksamkeit einer Kinderehe vor Gericht lange ausgetragen, wäre die Ehe bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung wirksam. Dies würde dem Minderjährigenschutz zuwiderlaufen.
Dennoch seien hier die gesetzlichen Bestimmungen verfassungswidrig und unwirksam, so das Bundesverfassungsgericht. Denn es fehle an Regelungen, die die Folgen der Unwirksamkeit einer Auslandskinderehe klären, etwa über Unterhaltsansprüche. Auch müsse die Möglichkeit bestehen, dass eine betroffene Auslandsehe nach Erreichen der Volljährigkeit nach deutschem Recht als wirksame Ehe fortgeführt werden kann. Bis zum 30. Juni 2014 habe der Gesetzgeber nun Zeit, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu schaffen. Bis dahin bleiben die bisherigen Regelungen in Kraft.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock