SOZIALHILFERECHT
Suchtkranken-Selbsthilfegemeinschaft hat keinen Anspruch auf Hartz IV
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Berlin (jur). Jobcenter müssen keine Arbeitslosengeld-II-Leistungen für Suchtkranke einer Selbsthilfegemeinschaft in einem sogenannten Synanon-Haus zahlen. Das Haus ist als stationäre Einrichtung anzusehen, so dass nur Sozialhilfe beansprucht werden kann, entschied das Sozialgericht Berlin in einem am Montag, 8. Dezember 2014, bekanntgegebenen Urteil (Az.: S 37 AS 9238/13).
Die Synanon-Selbsthilfegemeinschaften gibt es nur in Berlin und werden von der Stiftung Synanon getragen. Suchtkranke oder Suchtgefährdete können dort ohne Drogen, Alkohol, Tabak oder andere Suchtmittel in einem geschützten Rahmen aber ohne professionelle Therapeuten nach Art einer Lebensschule zusammenleben. Die Aufenthaltsdauer bestimmt jeder Bewohner für sich selbst.
Eine formelle Aufnahmeprozedur oder einen Therapieplan gibt es nicht. Die Bewohner arbeiten jedoch in Synanon-eigenen therapeutischen Zweckbetrieben wie im Bereich Umzüge/Transporte oder in einer Tischlerei. Dabei erhalten sie keinen regulären Lohn, sondern nur ein Taschengeld.
Bis Ende 2012 erhielten die Suchtkranken vom Jobcenter Hartz IV. Ab 2013 versagte die Behörde jedoch die Hilfeleistungen. Grund: Die Bewohner würden in einer „stationären Einrichtung“ leben. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sei dann das Sozialamt zuständig und müsse Sozialhilfe gewähren.
Rund 80 Bewohner haben daraufhin Klage erhoben. Sie befürchten, dass sie von der Sozialhilfe weniger erhalten als das Hartz IV vom Jobcenter. Denn das Sozialamt muss nur den tatsächlich anfallenden Bedarf berücksichtigen. Dieser kann beispielsweise wegen des günstigeren Zusammenlebens geringer ausfallen, als dies beim pauschalierten Arbeitslosengeld II der Fall ist.
Das Sozialgericht urteilte am 28. November 2014, dass die Synanon-Bewohner lediglich Sozialhilfe und kein Arbeitslosengeld II beanspruchen können. Denn bei Synanon liege eine „stationäre Einrichtung“ vor. Nach dem Gesetz müsse dann kein Arbeitslosengeld II gezahlt werden, es sei denn, die Bewohner sind „unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig“.
Hier übernehme Synanon aber die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und für die Integration der Hilfebedürftigen. Die Arbeit der Suchtkranken in den eigenen Zweckbetrieben solle „Schutz vor einer voreiligen Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“ bieten.
Die Bewohner erhielten zudem nur ein Taschengeld. Arbeitslosengeld II oder Erlöse aus der Mitarbeit in den Zweckbetrieben flößen auf ein Gemeinschaftskonto. Auch stelle sich die Frage, ob die Bewohner überhaupt erwerbsfähig seien. Denn sei eine Arbeit außerhalb der Zweckbetriebe wegen der Rückfallgefahr unzumutbar, deute dies auf eine leistungsausschließende Erwerbsunfähigkeit hin.