ARBEITSRECHT
Bei Arbeitslosigkeit nach Altersteilzeit keine Sperrzeit
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Kassel (jur). Beantragen Beschäftigte nach ihrer Altersteilzeit bis zu Beginn ihrer abschlagfreien Rente ab 63 vorübergehend noch Arbeitslosengeld, darf grundsätzlich keine Sperrzeit verhängt werden. Denn mit der Altersteilzeitvereinbarung liegt ein „wichtiger Grund“ vor, das Arbeitsverhältnis zu beenden, so dass eine Sperrzeit nicht begründet werden kann, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am Dienstag, 12. September 2017 (Az.: B 11 AL 25/16 R). Damit darf die Bundesagentur für Arbeit (BA) besonders langjährigen Versicherten nicht das Arbeitslosengeld I vorenthalten, nur weil sie nach ihrer Altersteilzeit sich noch bis zum Beginn ihrer abschlagfreien Rente nach dem 63. Geburtstag noch arbeitslos gemeldet haben.
Hintergrund des Rechtsstreits ist das auf Veranlassung von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eingeführte Rentengeschenk für besonders langjährig Versicherte. Diese können seit dem 1. Juli 2014 nach dem 63. Geburtstag abschlagfrei in Rente gehen. Das genaue Alter hängt vom Geburtsjahrgang ab. Voraussetzung hierfür ist zudem, dass sie mindestens 45 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben.
Klägerin fehlten nach ihrer Altersteilzeit noch drei Monate für abschlagfreie Rente
Nach dem Kasseler Urteil können Beschäftigte, die am 1. Juli 2014 bereits eine Altersteilzeit vereinbart hatten, deren Vertrag aber einige Monate vor dem Anspruch auf die abschlagsfreie Rente ausläuft, nun ebenfalls von der abschlagfreien Rente profitieren.
So hatte im entschiedenen Fall die Klägerin, eine Büroangestellte der Stadt Heubach im Ostalbkreis, bereits 2006 mit ihrem Arbeitgeber eine Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart. Ihr zunächst unbefristetes Arbeitsverhältnis wurde bis Ende der Freistellungsphase befristet. Danach sollte nahtlos die Rente beginnen, allerdings mit Abschlägen in Höhe von 7,5 Prozent.
Als nun die abschlagfreie Rente eingeführt wurde, fehlten der Frau nach ihrer Altersteilzeit noch drei Monate, um diese beanspruchen zu können. Die 45 Beitragsjahre hatte sie zwar erfüllt, das notwendige Alter aber noch nicht erreicht. Sie meldete sich daher vom 1. Dezember 2015 bis 22. Februar 2016 arbeitslos. Ab dem 1. März 2016 bezog sie dann die abschlagfreie Rente.
Keine Sperrzeit bei Befristung eines Arbeitsverhältnisses für eine Altersteilzeit
Die BA lehnte die Zahlung von Arbeitslosengeld für die strittigen drei Monate jedoch ab. Die Frau habe ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis wegen der Altersteilzeit befristen lassen. Damit habe sie ihre Arbeitslosigkeit selbst verschuldet. Die Behörde verhängte daher eine zwölfwöchige Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld I. Es fehle an einem „wichtigen Grund“, dass das Arbeitsverhältnis beendet wurde.
Dem widersprach nun das BSG. Zur Begründung verwies es auf eine Entscheidung des 7. BSG-Senats vom 21. Juli 2009 (Az.: B 7 AL 6/08 R). Danach tritt keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I ein, wenn der Beschäftigte eine Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart und von Anfang an beabsichtigt, aus dem Arbeitsleben danach auszuscheiden. Dieser Rechtsprechung schloss sich nun der 11. Senat des BSG an.
Danach gilt es als „wichtiger Grund“, wenn ein Arbeitsverhältnis für eine Altersteilzeit befristet wird. Die BA dürfe dann keine Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld verhängen.
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die abschlagfreie Rente
Dass die Klägerin sich wegen der Einführung der abschlagfreien Rente noch einmal für drei Monate arbeitslos gemeldet hat, sei ihr nicht anzulasten. Entscheidend sei, dass sie zum Zeitpunkt des Altersteilzeitvertrages im Jahr 2006 beabsichtigt hatte, nahtlos und damals noch mit Abschlägen in Rente zu gehen. Sie habe sich bei Arbeitgeber, Personalrat und Kollegen darüber informiert. Daher sei nicht anzunehmen, dass sie von Anfang an sich nach der Altersteilzeit arbeitslos melden wollte. Dass sie diese Meinung später änderte, um die zum Juli 2014 eingeführte abschlagfreie Rente zu erhalten, spiele keine Rolle.
Bereits am 17. August 2017 hatte der 5. BSG-Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die abschlagfreie Rente ab 63 geäußert (Az.: B 5 R 8/16 R und B 5 R 16/16 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Danach ist es in der Regel allerdings nicht möglich, die erforderlichen 45 Beitragsjahre durch Zeiten der Arbeitslosigkeit vollzumachen. Es verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass Rentenbeiträge der BA in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur ausnahmsweise bei Insolvenz oder Geschäftsaufgabe berücksichtigt werden.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage