FAMILIENRECHT
Bundesgerichtshof zu den Folgen einer unwirksamen Eheschließung
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Der Kläger verlangt von dem verklagten Rechtsanwalt Schadensersatz aufgrund des Vorwurfs fehlerhafter anwaltlicher Beratung.
Der Kläger, damals griechischer Staatsangehöriger, ging 1962 vor einem griechisch-orthodoxen Geistlichen in Hannover die Ehe mit einer Griechin ein. Der Geistliche wurde erst 1964 gegenüber der deutschen Regierung zu Eheschließungen in Deutschland ermächtigt. 1989 trennte sich der Kläger - inzwischen Arzt und deutscher Staatsangehöriger - von der Frau. Er beauftragte den jetzt verklagten Rechtsanwalt mit seiner Interessenwahrnehmung dieser gegenüber. Der Beklagte erwirkte für den Kläger in Deutschland ein Scheidungsurteil, mit dem zugleich der Versorgungsausgleich zu Lasten des Klägers angeordnet wurde; ferner vereinbarten die Geschiedenen Unterhaltszahlungen des Klägers an die Frau, die inzwischen neben der griechischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
Später wurde erkannt, daß die 1962 geschlossene Ehe nicht mit den deutschen Vorschriften über die Eheschließung von Ausländern in Deutschland (§ 15a EheG alte Fassung) im Einklang stand. Der Kläger ist der Ansicht, daß er bei richtiger Beratung durch den Beklagten seiner Schein-Ehefrau nichts hätte zahlen müssen. Er verlangt vom Beklagten Schadensersatz in Höhe aller geleisteten und zukünftig zu leistenden Unterhaltszahlungen sowie des Versorgungsausgleichs.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Erstattung des von dem Kläger an seine Schein-Ehefrau geleisteten Versorgungsausgleichs (29.423,30 DM und monatlich 1.751,69 DM seit 1. Dezember 1998) verurteilt, dagegen die auf Ersatz des Unterhaltsschadens gerichtete Klage abgewiesen.
Der für das Recht der Anwaltshaftung zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat den Beklagten weitergehend auch zum Ersatz von Unterhaltsschaden (82.715,11 € zunächst bis zum 31. Januar 1999) verurteilt. Er ist davon ausgegangen, daß die allein vor einem Geistlichen geschlossene Ehe nach § 15a Abs. 1 des früheren Ehegesetzes wegen Verstoßes gegen den in Deutschland geltenden Grundsatz der obligatorischen Zivilehe unwirksam war. Danach kam und kommt in Deutschland eine wirksame Ehe nicht ohne Mitwirkung eines Standesbeamten zustande. Zwar kann es inzwischen nach näherer Maßgabe des § 1310 Abs. 3 BGB schon genügen, wenn ein Standesbeamter eine Ehe in das Heirats-, Familien- oder Geburtenbuch eingetragen oder den Ehegatten eine Bescheinigung über eine familienrechtliche Erklärung erteilt hat, die zu ihrer Wirksamkeit eine bestehende Ehe voraussetzt. Ohne eine solche staatliche Mitwirkung kann aber die allein vor einem nicht förmlich ermächtigten Geistlichen in Deutschland geschlossene Ehe nicht lediglich durch ein Zusammenleben der Verheirateten als Ehegatten geheilt werden.
Der verklagte Rechtsanwalt wußte, daß der Kläger die Ehe 1962 vor einem griechischen Geistlichen in Deutschland geschlossen hatte. Aus den verfügbaren Erläuterungsbüchern hätte er entnehmen können, daß die deutsche Regierung Ermächtigungen zu derartigen Eheschließungen erst vom Jahre 1964 an entgegennahm und daß der Bundesgerichtshof in einer früheren Entscheidung (BGHZ 43, 213, 222 ff) dieser Ermächtigung keine Rückwirkung beigemessen, sondern die früher geschlossenen Ehen als Nichtehen behandelt hatte. Eine solche Nichtehe verpflichtet nach deutschem Recht weder zu Unterhaltszahlungen noch zur Übertragung von Versorgungsausgleich an den bloßen Schein-Ehegatten. Nach griechischem Recht war sie allerdings wirksam, weil dieses allgemein die Eheschließung vor einem griechisch-orthodoxen Geistlichen als rechtswirksam ansah.
Aufgrund dieser Rechtslage hätte der verklagte Rechtsanwalt dem Kläger raten müssen, gegen seine ebenfalls in Deutschland ansässige Schein-Ehefrau keine Scheidungsklage zu erheben, sondern eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Ehe. Durch den falschen Rat hat er es verschuldet, daß der Kläger inzwischen rechtsbeständig zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist und daß seine Versorgungsbezüge infolge des übertragenen Versorgungsausgleichs verringert sind. An der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz dieses Schadens ändert es nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nichts, daß auch der beim zuständigen Amtsgericht tätige Familienrichter die Unwirksamkeit der Ehe hätte bemerken und die Ehescheidungsklage hätte abweisen müssen. In derartigen Fällen mitwirkender Schadensverursachung haben nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln die mehreren Schädiger gemeinsam den angerichteten Schaden zu ersetzen; sie können dann im Innenverhältnis einen Ausgleich nach Maßgabe ihres Mitverschuldens suchen (§§ 426, 254 BGB). Allerdings schließt § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Schadensersatzverpflichtung wegen eines fehlerhaften Urteils in einer Rechtssache allgemein aus, sofern die Pflichtverletzung nicht in einer Straftat besteht; letzteres war hier nicht der Fall. Der Umstand, daß der Staat selbst keine Haftung für fehlerhafte Urteile übernimmt, kann aber nicht dazu führen, daß der durch seinen Rechtsanwalt fehlerhaft beratene Rechtssuchende wegen seines Schadens regelmäßig völlig leer ausgeht, also trotz der Mitwirkung zweier schädigender Organe der Rechtspflege von niemandem Ersatz seines Schadens erlangen kann. Der fehlerhaft beratende Rechtsanwalt, auf dessen Rat der Mandant vertraut hat, könnte allenfalls dann von seinem Verursachungsbeitrag rechtlich freigestellt werden, wenn derjenige des fehlerhaft entscheidenden Gerichts eindeutig schwerer wöge. Davon war hier um so weniger auszugehen, als der deutsche Zivilprozeß dem Grundsatz der Parteiherrschaft unterliegt, also die Parteien selbst mit ihren Anträgen das rechtliche Ziel bestimmen, das sie erreichen wollen.
Urteil vom 13. März 2003 - IX ZR 181/99
Karlsruhe, den 14. März 2003