ZIVILRECHT
Culpa in contrahendo
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Die schuldhafte Verletzung von Pflichten, welche aufgrund eines vorvertraglichen Verhältnisses bestehen, werden als „culpa in contrahendo“ (abgekürzt: „c. i. c.“) bezeichnet. Übersetzt bedeutet dies „Verschulden bei Vertragsschluss“. Entwickelt wurde dieser Grundsatz von dem deutschen Juristen Rudolf von Jhering im Jahre 1861.
Culpa in contrahendo als gewohnheitstrechtlich anerkanntes Rechtsinstitut
Culpa in contrahendo ist ein gewohnheitsrechtlich anerkanntes Rechtsinstitut, gemäß dessen entstandene Schäden zu ersetzen sind, die aufgrund von Verletzungen der vorvertraglichen Pflichten entstanden sind. Diese Pflichten können beispielsweise die Obhutspflicht oder die Auskunftspflicht sein. Aus Rechtsgrund für die Haftung bei culpa in contrahendo ist die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens im Vorfeld geschäftlicher Beziehungen anzusehen. Dabei ist zu beachten, dass das Verhalten im Vorfeld des Vertragsabschlusses derart ausgelegt werden kann, dass es auch tatsächlich zu einem Vertragsabschluss gekommen wäre.
Klassische Beispiele aus der Praxis
In der Praxis bedeutet dies die schuldhafte Verletzung einer Pflicht, die bereits bei Eintritt in die Vertragsverhandlungen durch ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis bestehen. Als klassisches Beispiel hierfür gilt der Sturz eines Kunden im Supermarkt, der nur erfolgt ist, weil die dortigen Mitarbeiter die Gänge nicht ordnungsgemäß freigeräumt haben. Es bestand zwar kein Vertrag im eigentlichen Sinne zwischen dem Geschädigten und dem Betreiber des Supermarkts, aber dennoch hat der Kunde Ansprüche auf Schadensersatz.
Das Verhalten des Geschädigten – Betreten des Supermarktes mit einem Einkaufswagen und einem Einkaufszettel – muss dahingehend ausgelegt werden, dass er mit der Absicht eines Vertragsschlusses den Supermarkt betreten hat. Dasselbe gilt bei verunreinigten Gängen im Supermarkt: stürzt deshalb ein Kunde, so kann dieser Schadensersatzansprüche gegenüber dem Betreiber des Supermarkts geltend machen [BGH, 28.01.1976, VIII ZR 24674].
Der Schadensersatzanspruch, welcher der Geschädigte gemäß culpa in contrahendo besitzt, kann auch gegen einen Restaurantgast bestehen, der einen Tisch reserviert hat und dann nicht erschienen ist. In derartigen Fällen hat der Wirt das Recht, Ersatz für seine Vorbereitungskosten und eventuell sogar entgangenen Gewinn verlangen. Allerdings muss er beweisen, dass er aufgrund des reservierten Tischs andere Gäste wegschicken musste [LG Kiel, 22.01.1998, 8 S 160/97].
Quelle: Experten-Branchenbuch.de-Redaktion