INSOLVENZRECHT
Geld bekommen – zu früh gefreut
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Zu den Folgen, wenn eine Schuldnerin trotz bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit zur Abwendung der Zwangsvollstreckung bezahlt
Kurzfassung
Wenn eine klamme Firma zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen doch noch eine Schuld bezahlt, sollte sich der Geldempfänger nicht zu früh freuen. Beantragt sie nämlich binnen drei Monaten nach der Zahlung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, muss das Geld eventuell an den Insolvenzverwalter zurück bezahlt werden.
Das zeigt ein vom Landgericht Coburg jetzt rechtskräftig entschiedener Fall. Weil die spätere Pleitefirma bei Begleichung der Forderung schon weitgehend zahlungsunfähig war, musste das vom Insolvenzverwalter beklagte Unternehmen bereits sicher geglaubte rund 5.500,- € wieder herausgeben.
Sachverhalt
Die Beklagte hatte gegen ein anderes Unternehmen eine Forderung über rund 5.500,- €. Weil die Bezahlung bereits überfällig war, erwirkte sie einen Vollstreckungstitel und ließ der Schuldnerin das Geschäftskonto sperren. Mit dem gewünschten Erfolg: Binnen einer Woche wurde der Betrag überwiesen. Doch nicht einmal drei Monate später stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag - und der Insolvenzverwalter verlangte von der Beklagten Rückzahlung. Bei der Forderungsbegleichung handele es sich um ein nach der Insolvenzordnung (InsO) anfechtbares Rechtsgeschäft. Die Beklagte sah das anders.
Gerichtsentscheidung
Nicht aber das Landgericht Coburg. Es entsprach dem Klageantrag des Insolvenzverwalters. Zum Zeitpunkt der Zahlung sei die Schuldnerin nämlich bereits nicht mehr in der Lage gewesen, einen Großteil ihrer finanziellen Verbindlichkeiten zu erfüllen. So waren die Lohnzahlungen schon eingestellt. Bezahlt sei nur worden, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden und trotz Zahlungsunfähigkeit noch weiterwirtschaften zu können. Der Gesetzgeber habe aber festgelegt, dass binnen einer Dreimonatsfrist vor dem Insolvenzantrag solche „erzwungenen“ Zahlungen keinen Bestand haben könnten.
Fazit
Geschäftsverkehr mit finanziell angeschlagenen Firmen birgt sogar dann noch finanzielle Risiken, wenn man an sein Geld gekommen ist.
(Landgericht Coburg, Urteil vom 31.7.2002, Az: 13 O 390/02; rechtskräftig)
Zur Rechtslage:
Die InsO sieht vor, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt alle Gläubiger einer insolventen Firma gleich zu behandeln sind. Mit der Folge, dass Handlungen der Pleitefirma, mit denen sie einzelne Gläubiger befriedigt, unter gesetzlich normierten Voraussetzungen anfechtbar werden.
Immer dann, wenn zur Begleichung von Schulden etwas anderes als das eigentlich Geschuldete (z. B. Forderungsabtretung oder Übereignung von Gegenständen statt Zahlung) geleistet und damit eine „inkongruente Deckung“ gewährt wird, wird es für den Gläubiger „gefährlich“: Er muss damit rechnen, dass dieser Akt später vom Insolvenzverwalter angefochten wird und das Erlangte herauszugeben ist. Gleiches gilt bei „erzwungenen“ Zahlungen, wie der geschilderte Fall zeigt.
Die für oben geschilderten Fall maßgebliche Vorschrift lautet:
§ 131 InsO [Inkongruente Deckung]:
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der zeit zu beanspruchen hatte,
1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war ...
(2) ...