VERTRIEBSRECHT
Internationales Vertriebsrecht am Beispiel Bulgarien
Autor: Rechtsanwältin Mareen Schneider - Rechtsanwältin
Möglichkeiten der rechtlichen Ausgestaltung des Vertriebs deutscher Produkte in Bulgarien
1. Einführung: Der Warenvertrieb in Bulgarien
Vertrieb, in der Praxis noch „Distribution“ oder „Absatz“ genannt, ist der Oberbegriff für sämtliche Handlungen, die ein Produkt im weiteren Sinne – hierunter alle Sachgüter, Dienstleistungen, Nutzungsrechte etc. – auf seinem Weg von dem Produzenten zu dem Endkonsumenten begleiten. Das wesentliche Ziel ist dabei, einen möglichst attraktiven Platz auf dem Markt der jeweiligen Branche für einen möglichst langen Zeitraum zu ergattern. In vielen Handelsbranchen wird dem Vertrieb die größte Bedeutung in der gesamten Wirtschaftstätigkeit beigemessen. Deshalb ist er häufig mit einem höheren Kostenanteil und einem größeren Organisationsaufwand als der Produktionsprozess selbst verbunden. Vor diesem Hintergrund sind die gut überlegte Gestaltung von Absatzwegen sowie die strategisch richtige Positionierung auf dem internationalen Markt durch die Bildung von Absatzorganen und die Erweiterung vom Händlernetz unerlässlich für die erfolgreiche Unternehmertätigkeit.
Die hervorragende geopolitische Lage Bulgariens positioniert das Land in die Schnittstelle zwischen dem europäischen und dem Nahostmarkt. Aus diesem Grund hat sich Bulgarien mittlerweile als hoch attraktiver Absatzmarkt für US-amerikanische und westeuropäische Unternehmer etabliert. Dabei weist das Land auch weiterhin ein erhebliches Wachstumspotential auf dem Gebiet der Waren- und Dienstleistungsdistribution auf. Faktoren wie ein vergleichsweise stabiles Bankengeschäft, ein gutes BIP-Wachstum, ein günstiger rechtlicher Rahmen zur Förderung ausländischer Investitionen sowie die Tatsache, dass fünf der insgesamt zehn Paneuropäischen Verkehrskorridore durch Bulgarien führen, haben das Land bereits zu einem wichtigen Handelspartner von Deutschland gemacht. Viele große deutsche Unternehmen wie z. B. BASF, BMW, LIDL, Lufthansa Technik etc., aber auch zahlreiche mittelgroße bis kleine Unternehmen haben bereits erfolgreich Fuß auf dem bulgarischen Distributionsmarkt gesetzt.
Für den deutschen Unternehmer wirft die Vertriebsplanung in diesem vergleichsweise jungen Mitgliedstaat der Europäischen Union vielfältige Fragen in Bezug auf das Zusammenspiel von nationalem und europäischem Vertrags-, Produkthaftungs-, Kartell- und Wettbewerbsrechts auf. Die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe sowie die Vielfalt an möglichen Gestaltungskonstellationen bei der Waren- und Dienstleistungsvermittlung sorgen für häufige Verständnisschwierigkeiten selbst bei dem geschulten Rechtsanwender. Der folgende Beitrag soll deshalb einen ersten Überblick über die in Bulgarien praxisrelevanten Vertragsmodalitäten verschaffen, um das Vertriebsverhältnis zwischen einem deutschen Hersteller und seinen bulgarischen Absatzorganen bzw. Vermittlungspersonen passend auszugestalten.
Das bulgarische Vertriebsrecht ist, ähnlich wie das deutsche, nicht zusammenhängend geregelt. Das bulgarische Handelsgesetz (i. F.: BG-HG) stellt die wichtigste Rechtsgrundlage der Absatzmittlung dar. Dabei hat sich der bulgarische Gesetzgeber weitgehend an die deutschen Regelungen im Handelsgesetzbuch orientiert. Es gelten jedoch einige nationalrechtliche Besonderheiten.
Art. 52 BG-HG regelt für sämtliche der nachfolgend aufgezeigten Vertriebsverträge eine umfassende Verschwiegenheitsverpflichtung in Bezug auf alle dem Absatzmittler im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangten internen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie sonstige als vertraulich bezeichnete Informationen aus dem Kreise des Auftraggebers. Diese streckt sich in der Regel auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses aus, soweit dies das Bild eines ordentlichen Kaufmanns voraussetzt.
2. Der Handelsvertretervertrag
Der Handelsvertreter (auf Bulgarisch: „търговски представител“) i. S. d. Art. 32 des BG-HG hat die Stellung eines selbstständigen Gewerbebetreibenden, der in einem bestimmten Bezirk den Handelsbetrieb eines anderen Unternehmers auf Dauer fördert, indem er Leistungen für ihn erbringt. Der Handelsvertreter kann sowohl ein Einzelkaufmann als auch eine juristische Person sein. Soweit der Umfang der Tätigkeit es gebietet, kann die Handelsvertretung sogar als große Kapitalgesellschaft mit eigenen selbstständigen Untervertretern organisiert sein. Die Bevollmächtigung des Handelsvertreters erfolgt in aller Regel aufgrund eines Dauerschuldverhältnisses. Diese Form der Absatzmittlung kann in diversen Branchen des produzierenden Gewerbes, im Groß- und Einzelhandel oder in der Gastronomiebranche erfolgreich eingeschaltet werden.
Zu den Vorzügen dieser Vertriebsform gehören in erster Linie die gute Marktkenntnis des Handelsvertreters aufgrund seines regen und direkten Kundenkontakts sowie die gesteigerte Arbeitsmotivation, die die Selbstständigkeit naturgemäß mit sich bringt.
Zu beachten ist die rechtliche Abgrenzung zu der Figur der begriffsähnlichen Handelsvertretung (auf Bulgarisch: „търговско представителство“) eines ausländischen Unternehmens i. S. d. Art. 24 Bulgarischen Gesetz zur Förderung fremder Investitionen (i. F. BG-FfIG). Hiernach darf jedes ausländische Unternehmen, das nach dem Recht seines Sitzstaates zur Ausübung von Handelsgeschäften berechtigt ist, eine eigene Handelsvertretung in Bulgarien anmelden. Somit bekommt das Unternehmen einen eigenen Repräsentanten vor Ort. Diese Handelsvertretung ist jedoch keine juristische Person und ist nicht zur selbstständigen Ausübung von Handelsgeschäften im eigenen Namen berechtigt. Vielmehr werden sämtliche Geschäfte im Namen des ausländischen Unternehmens, sog. Prinzipals, abgeschlossen. Die Anmeldung der ausländischen Handelsvertretung bedarf der konstitutiven Eintragung in das bulgarische Register für Handelssubjekte BULSTAT und in das Register der Bulgarischen Industrie- und Handelskammer.
a) Vertragliche Ausgestaltung des Vertriebsverhältnisses
Gem. Art. 32 Abs. 2 BG-HG bedarf der Handelsvertretervertrag der Schriftform. Diese stellt, anders als im deutschen Handelsvertreterrecht, ein Wirksamkeitserfordernis dar. Der Vertrag setzt den konkreten Gegenstand der Vertriebstätigkeit fest und weist den Bezirk zu, in dem der Handelsvertreter seine Tätigkeit ausüben wird. Bestimmte Großkunden, wie z.B. einige staatliche Behörden, deren direktes Anwerben sich der Unternehmer vorbehalten will, können ausgenommen werden.
Die möglichen Tätigkeitsgebiete des Handelsvertreters können, je nach Befugnisumfang, in drei Hauptgruppen aufgeteilt werden: die Vermittlung von Kundenanfragen, die direkte Vertretung (Handeln im eigenen Namen und für Rechnung des Unternehmers) und die indirekte Vertretung (Handeln im Namen und für Rechnung des Unternehmers).
Während die bloße Vermittlung von Kundenanfragen dem Unternehmer das Recht gewährt, angebotene Aufträge z. B. bei unvorhersehbaren Lieferengpässen abzulehnen, ist er bei den beiden Vertretungsformen an den durch den Handelsvertreter abgegebenen Zusagen grundsätzlich gebunden.
Eine direkte Abschlussvollmacht wird üblicherweise größeren Handelsvertreterunternehmen eingeräumt, die einen neuen Markt vor Ort komplett erschließen müssen und bereit sind, zu diesem Zweck eigene Kraft und eigene finanzielle Mittel in Marktforschung, Werbung und Imageaufbau für den Unternehmer zu investieren und somit einen nicht unerheblichen Teil des finanziellen Risikos übernehmen. In diesem Fall tritt der Handelsvertreter nach außen oft als der eigentliche Anbieter auf, während der Unternehmer lediglich als Hersteller und Lieferant fungiert und ihm der direkte Kundenkontakt praktisch verwehrt ist.
Bei der Bestimmung des Umfangs der dem Handelsvertreter einzuräumenden Befugnisse ist in erster Linie maßgebend, ob der Unternehmer selbst über hinreichende Marktkenntnis verfügt und vor Ort präsent sowie wie hoch seine Lieferbereitschaft ist.
Zum Schutz des gutgläubigen Endkunden bzw. Zwischenhändlers, für den die Beschränkung der Vertreterbefugnis auf reine Vermittlungstätigkeit nicht offenkundig ist, agiert der Handelsvertreter gem. Art. 43 BG-HG ausnahmsweise auch als vollmachtloser Vertreter. Hiernach der Handelsvertreter trotz fehlender Abschlussbefugnis Verträge mit Wirkung für den Unternehmer abschließen, wenn dieser nicht unverzüglich nach Kenntniserlangung dem Geschäftsabschluss ausdrücklich widerspricht.
Aufgrund seiner Stellung als selbstständiger Gewerbebetreibender kann der Handelsvertreter grundsätzlich gleichzeitig mehrere Unternehmer vertreten, soweit ihm dies logistisch möglich und zumutbar ist. Ein grundsätzliches gesetzliches Wettbewerbsverbot für die gleichzeitige Vertretung von Unternehmern gibt es nicht. Abweichendes gilt nur bei Unternehmern, die hinsichtlich des jeweiligen Absatzprodukts in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen. Bei Vertriebsgeschäften größeren Umfangs ist es durchaus üblich, mittels einer Exklusivitätsklausel zu vereinbaren, dass der Handelsvertreter nur einen Unternehmer ausschließlich vertreten soll.
Gem. Art. 46 Abs. 2 BG-HG sieht der Gesetzgeber die Einräumung einer für den jeweiligen Bezirk geltenden Alleinvertretungsbefugnis vor. Die Vertretung kann hiernach nicht gleichzeitig auch einem anderen Handelsvertreter in demselben Bezirk übertragen werden. Wenn ein großer Handelsvertreter einen gut ausgebauten Bezirk auf dem jeweiligen Markt beherrscht, wird dieser als immaterieller Unternehmenswert angesehen.
Wenn nichts Abweichendes bestimmt ist, steht es dem Handelsvertreter frei, die Art und Weise seiner Tätigkeit konkret auszugestalten und seinen Dienstraum selbstständig einzurichten.
Die inhaltliche Ausgestaltung des vertraglichen Verhältnisses zwischen einem Unternehmer und seinem Handelsvertreter ist von enormer Bedeutung, denn hier müssen die gegenläufigen Interessen zweier Unternehmer in Ausgleich gebracht werden. Während der Unternehmer in der Regel anstrebt, die provisionsanspruchsbegründenden Kundenbeziehungen so eng wie möglich zu definieren, ist es im Interesse des Handelsvertreters, seinen Gewinn aus dem Vertrieb zu maximieren und sich die Betreuung angeworbener Kunden(-stämme) auf Dauer zu sichern. Das Gesetz sieht nur wenige zwingende Schutzvorschriften vor, die im Zweifelsfall einen gerechten Interessenausgleich gewähren.
Vor diesem Hintergrund ist die kompetente Beratung unter Beachtung der jeweils gewünschten Marktpositionierung, der Branchenspezifika und der Besonderheiten des bulgarischen Rechts essentiell für die Erstellung eines neutralen Vertragswerks als Weichenstellung für ein beiderseits profitables Vertriebsverhältnis.
b) Pflichten der Parteien im Handelsvertretervertrag
Die aus dem Handelsvertretervertrag erwachsenden Pflichten der Parteien sind in Art. 33. 34 BG-HG umfassend geregelt. So ist der Handelsvertreter verpflichtet, den Unternehmer möglichst zeitnah von dem Abschluss eines jeden Geschäfts zu unterrichten. Im Rahmen seiner Tätigkeit hat er stets die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu wahren. Darüber hinaus ist der Handelsvertreter an den Weisungen des Unternehmers gebunden und hat diesem sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen, die er in Verbindung mit seiner Tätigkeit erlangt.
Der Unternehmer ist seinerseits verpflichtet, seinem Handelsvertreter sämtliche Informationen sowie die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die für seine Vermittlungstätigkeit erforderlich sein können. Dazu gehört unter Anderem die unverzügliche Unterrichtung über die Änderung solcher Umstände, die den Geschäfteabschluss nun nur in einem geringerem als dem ursprünglich erwarteten Umfang möglich machen, z. B. verringerte Liefer- bzw. Produktionskapazität des Unternehmers. Der Unternehmer hat den Handelsvertreter ebenfalls unverzüglich über den Abschluss eines von ihm vermittelten bzw. über die Genehmigung oder die Verweigerung der Genehmigung eines von ihm ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Geschäfts zu unterrichten. Weitere Pflichten und Ansprüche der Parteien können unter Beachtung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall vertraglich niedergelegt werden.
d) Entgeltansprüche des Handelsvertreters
Im Grundsatz steht dem Handelsvertreter ein Provisionsanspruch für sämtliche Geschäfte zu, die auf seine Vermittlungstätigkeit zurückzuführen sind.
Dazu zählen primär die vom Handelsvertreter selbst persönlich realisierten Verträge sowie die von dem Geschäftsherrn mit von dem Handelsvertreter angeworbenen Kunden und Zwischenhändlern oder anderweitig aufgrund seiner Vermittlung abgeschlossenen Geschäfte. Grundsätzlich kann der Handelsvertreter die Provision auch für solche Geschäfte verlangen, die von ihm vermittelt aber vom Unternehmer nicht abgeschlossen wurden, außer der Abschluss ist an einem Umstand gescheitert, der von dem Unternehmer nicht verschuldet wurde.
Wird dem Handelsvertreter nach dem Vermittlungsvertrag ein konkret bestimmter Kundenstamm zugewiesen, dann hat er einen Provisionsanspruch auch aus diesen Geschäften, die zwar ohne seine Mitwirkung, aber mit Kunden aus seinem Kreis abgeschlossen worden sind.
Die Höhe der Provision bzw. die Bestimmungen zu ihrer Berechnung werden in der Regel zwischen den Parteien vertraglich ausgehandelt. Sollte dies nicht der Fall sein, gilt der handelsübliche Provisionssatz als vereinbart. Das Gesetz sieht die monatliche Fälligkeit des Provisionsanspruchs als Regelfall vor. Vor diesem Hintergrund kann sich bei einem Exklusiv-Vertrag mit dem Unternehmer die Abgrenzung des selbstständigen Handelsvertreters zum Angestellten im Einzelfall als schwierig gestalten.
Neben dem Provisionsanspruch hat der bulgarische Handelsvertreter einen Inkassoanspruch für die von ihm auftragsgemäß eingezogenen Beträge. Darüber hinaus kann er auch Ersatz der ihm im Rahmen seiner Tätigkeit entstandenen handelsüblichen Aufwendungen verlangen.
Verpflichtet sich ein Handelsvertreter, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten aus einem abgeschlossenen Geschäft persönlich einzustehen, so kann er eine zusätzliche besondere Vergütung – die sog. Delkredereprovision – in Anspruch nehmen. Diese Vergütung ist von den Parteien gesondert schriftlich zu vereinbaren. Der Vermittlungsvertrag kann den Anspruch auf Delkredereprovision nicht pauschal im Voraus ausschließen.
e) Beendigung des Vertriebsverhältnisses
Gem. Art. 47 BG-HG kann ein unbefristeter Handelsvertretungsvertrag bis zum Ablauf des ersten Jahres unter Einhaltung einer einmonatigen Frist gekündigt werden. Im Rahmen des zweiten Jahres sieht das Gesetz eine Kündigungsfrist von zwei, nach Ablauf des zweiten Jahres von drei Monaten vor. Sollte der Vertrag eine längere Kündigungsfrist vorsehen, so muss diese für beide Parteien gleich sein.
Wird ein vertraglich befristeter Vertrag vor Ablauf seiner Dauer gekündigt, ist die die Kündigung aussprechende Partei zum Ersatz des der anderen Partei durch die frühzeitige Aufhebung des Vertragsverhältnisses entstandenen Schadens verpflichtet.
Nach Beendigung des Vertriebsverhältnisses ist dem Handelsvertreter auf schriftlichen Antrag eine einmalige Abfindung bzw. eine Ausgleichszahlung zu gewähren, wenn aus der Beziehung zu dem von ihm angeworbenen Kundenstamm für den Unternehmer auch künftige Vorteile erwachsen. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ist gesetzlich auf den durchschnittlichen Provisionssatz aus den letzten fünf Jahren des Vertriebsverhältnisses gedeckelt.
Der Anspruch kann von dem Handelsvertreter nur innerhalb eines Jahres nach Vertragsbeendigung geltend gemacht werden. Er entfällt, wenn der Handelsvertreter seine Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis mit Zustimmung des Unternehmers auf einen Dritten übertragen hat oder wenn das Vertragsverhältnis an einem von ihm schuldhaft herbeigeführten Umstand gescheitert ist.
Die gewerbliche Tätigkeit des Handelsvertreters kann hinsichtlich des Vertriebs von Waren und Dienstleistungen der vertragsgegenständlichen Art für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren nach Beendigung des Vertrags in dem ihm zugewiesenen Bezirk durch schriftliche Vereinbarung beschränkt werden. Für diesen Zeitraum ist der Handelsvertreter jedoch in angemessener Höhe zu entschädigen. Sollte das Verhältnis an einem Umstand scheitern, der durch den Unternehmer verschuldet ist, dann kann sich der Handelsvertreter durch schriftliche Erklärung von der Beschränkung lösen.
3. Der Distributionsvertrag (Vertragshändlervertrag)
Von dem Handelsvertretervertrag grundlegend zu unterscheiden ist der sog. Distributionsvertrag. Seinem Wesen nach ist der Distributor (auf Bulgarisch: „дистрибутор“) mit dem von dem deutschen Vertriebsrecht bekannten Vertrags- oder Eigenhändler vergleichbar. Seine Rechtsstellung ist nicht eigenständig gesetzlich geregelt, insofern besteht weitgehend Vertragsfreiheit.
Der Distributor ist ein Einzelkaufmann oder eine juristische Person, die durch einen Rahmenvertrag in die Verkaufsorganisation eines Herstellers oder eines Lieferanten eingegliedert wird und sich hiermit verpflichtet, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Waren des Vertragspartners zu vertreiben. Bezeichnend für das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien ist eine über die bloße Lieferantenverpflichtung hinausgehende Interessenverknüpfung der Parteien.
Der Vertragstypus wird in der Regel bei der Vermittlung hochwertiger Markenware, wie z. B. Kosmetikprodukte, Schmuck, Alkohol, Nahrungsergänzungsmittel bevorzugt. Häufig werden die Einräumung von einem Alleinvertriebsrecht des Distributors oder die Zuweisung eines bestimmten Vertriebsgebiets vereinbart. Diese hängen in der Regel mit einem Wettbewerbsverbot für den Distributor zusammen.
Der Distributor verpflichtet sich, die Produkte bei dem Hersteller anzukaufen und sich im eigenen Namen um den Absatz bei dem Endkunden zu bemühen. Häufig unterhält der Distributor zu diesem Zwecke einen größeren Betrieb mit eigenen Angestellten und Lagerräumen. Der Warenbezug bei dem Hersteller wird aufgrund von dem Rahmenvertrag separaten Kaufverträgen geregelt. Denkbar ist die vertragliche Festlegung einer Mindestabnahmeverpflichtung.
In die einzelnen Kaufverträge mit dem Endkonsumenten oder dem Zwischenhändler tritt der Distributor selbst als Partei. Für die Absatzmittlung der vertraglich übernommenen Warenmenge trägt der Distributor somit das gesamte finanzielle und unternehmerische Risiko. Eine gewisse Risikoverteilung ist bei der Schaffung eines sog. Stufendistributionssystems möglich, in dem einem „Generaldistributor“ ein Netz von Bezirkseigenhändlern zugewiesen wird. Der Distributor verfügt in der Regel über weitgehende Weisungsfreiheit hinsichtlich seiner Preisgestaltung und der konkreten Ausgestaltung seiner Händlertätigkeit. Nicht selten ist der Distributor zusätzlich zur Wartung der Produkte verpflichtet. Preisempfehlungen sowie eine gemeinsame Werbestrategie können jedoch vertraglich vorgesehen werden.
Im Gegenzug verpflichtet sich der Hersteller bzw. der Lieferant in der Regel zur Lieferung, zur Vornahme bestimmter Unterstützungshandlungen und zu der Gewährung von Händlerrabatt. Wie der Handelsvertreter kann auch der Distributor einen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn der Händler nach Beendigung des Vertragsverhältnisses seinen ausgebauten Kundenstamm weiter nutzen kann.
Das Verhältnis zwischen Händler und Distributor ist von einer Reihe Sekundär- und Treuepflichten geprägt. Diese erhöhen sich proportional zu dem Grad der Einbindung des Distributors in das Absatzsystem des Händlers. So trifft den Distributor eine Absatzförderungspflicht, die unabhängig von seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse an dem Vertrieb besteht. Die Verletzung dieser Pflicht, soweit nachweisbar, könnte Schadensersatzansprüche des Händlers begründen oder zur Kündigung der Vertragsbeziehung führen.
Der Händler ist seinerseits verpflichtet, den Interessen des Distributors bei seiner grundsätzlichen uneingeschränkten unternehmerischen Freiheit wie z. B. bei etwaigen Produkt- oder Preisänderungen oder bei der Einstellung der Herstellung von bestimmten Waren Rechnung zu tragen.
4. Der Vertrag zur Vermittlung von Handelsgeschäften (Handelsmaklervertrag)
Der Handelsmakler (auf Bulgarisch: „търговски посредник“) übernimmt gewerbsmäßig die Vermittlung von Handelsgeschäften unterschiedlicher Art für andere Unternehmer, mit denen er nicht in einer Dauerrechtsbeziehung steht. Dabei wird der Handelsmakler, in der Regel gleichzeitig, für mehrere Unternehmer tätig. Er ist also nicht als genuines Absatzorgan an einem bestimmten Auftraggeber gebunden.
Bezeichnend für die Handelsmaklertätigkeit ist die Vornahme von Handlungen ausschließlich tatsächlicher Art. Dazu zählen unter anderem Handlungen zur Marktforschung und zum Kundenanwerben, die Kontaktherstellung zwischen Kunde bzw. Zwischenhändler und Hersteller, die Veranlassung und die Organisation von Verhandlungen, die Entgegennahme von Zahlungen etc.. Dagegen unternimmt der Handelsmakler keinerlei rechtlichen Handlungen, wie etwa die Abgabe von Willenserklärungen oder den Abschluss von Verträgen für Rechnung der Parteien. Der Handelsmakler tritt also nie als Vertreter der Parteien auf. Ihm steht vielmehr die mediative Position eines neutralen Dritten im Vermittlungsverhältnis zu und er handelt stets im eigenen Namen.
Über seine Tätigkeit hat der Handelsmakler ein Tagebuch zu führen, in das die abgeschlossenen Vermittlungsgeschäfte unter genauer Bezeichnung der Parteien, des Abschlussdatums und des Inhalts der wesentlichen Vereinbarungen täglich einzutragen sind. Die Parteien können auf Verlangen Einsicht in die sie betreffenden Tagebucheinträge bekommen.
Aus den vermittelten Geschäften hat der Handelsmakler einen Anspruch auf Zahlung von Maklervergütung, die im Rahmen des Vertrags jeder der beiden (künftigen) Vertragsparteien auferlegt werden kann. Fehlt eine entsprechende Abrede, hat jede der Parteien den Maklerlohn in handelsüblicher Höhe jeweils zur Hälfte zu tragen.
Eine abschließende Aufzählung der Art von Handelsgeschäften, die vom Handelsmakler vermittelt werden können, sieht der bulgarische Gesetzgeber im Gegensatz zum deutschen Handelsmaklerrecht nicht vor. Demnach kann der bulgarische Handelsmakler Handelsgeschäfte jeglicher Art vermitteln. In der Praxis kommen insbesondere Verträge über die Veräußerung von Waren, Wertpapieren, Versicherungen, über die Beförderung von Gütern und die Vermittlung von Dienstleistungen in Betracht. Auf die Vermittlung von Geschäften über die Beförderung von Waren auf dem Seeweg sowie von Börsengeschäften genießen gesetzliche Spezialvorschriften den Vorrang.
5. Der Vertrag über Handelshilfe (Handelsgehilfenvertrag)
Als eine Art kaufmännischer Angestellter ist der Handelsgehilfe (auf Bulgarisch: „договор за търговска помощ“) vertraglich verpflichtet, gegen Entgelt kaufmännische Dienste, überwiegend tatsächlicher Art, zur Förderung des Handelsgeschäfts eines Unternehmers vorzunehmen.
Die Rechtsbeziehung zwischen einem Unternehmer und seinem Handelsgehilfen basiert entweder auf einem Arbeitsvertrag oder auf einem Zivilvertrag. Der Befugniskreis des Handelsgehilfen umfasst in erster Linie eine faktische Vertretung des Unternehmers während seiner Abwesenheit bei der alltäglichen Durchführung des Handelsgeschäfts.
Grundsätzlich besteht keine Vertretungsmacht des Gehilfen, d.h. er ist in der Regel nicht befugt, Geschäfte im Namen und für Rechnung des Geschäftsinhabers zu schließen. Eine Ausnahme sieht der bulgarische Gesetzgeber für den Fall vor, dass der Gehilfe in öffentlich zugänglichen Geschäftsräumen tätig wird. In diesem Falle ist zugunsten des gutgläubigen Vertragspartners davon auszugehen, dass der Handelsgehilfe zum Abschluss von „üblichen“ Geschäften berechtigt ist. Diese Vollmachtvermutung entfaltet ihre Wirkung von Gesetzes wegen, also unabhängig von dem tatsächlichen Willen der Parteien. Der Hintergrund dafür ist die Schutzbedürftigkeit des gutgläubigen Dritten, der auf die rechtliche Bindungswirkung der in Räumlichkeiten abgegebenen Willenserklärungen vertrauen dürfen soll, in denen üblicherweise mit dem wirksamen Abschluss von Geschäften dieser Art zu rechnen ist. In diesem Fall gelten für den Handelsgehilfen dieselben Regeln wie für den Handelsvertreter, d.h. er gibt eine eigene Willenserklärung mit unmittelbarer Wirkung für und gegen den Unternehmer ab.
Für den Handlungsgehilfen gilt ein gesetzliches Wettbewerbsverbot. Hiernach darf er ohne die ausdrückliche Einwilligung des Unternehmers neben seiner Handelsgehilfenstellung keine Tätigkeit im selben Handelsbereich betreiben.
6. Der Franchise-Vertrag
Ähnlich wie in Deutschland stellt das Franchising das vergleichsweise intensivste im Stufenkooperationsverhältnis organisierte Vertriebssystem dar. Konkrete gesetzliche Bestimmungen zu dieser Form enthält das bulgarische Handelsgesetzbuch nicht, sodass Rechtsprechung, Literatur und Erfahrungswerte aus anderen Rechtssystemen zur Bestimmung des rechtlichen Rahmens heranzuziehen sind.
Beim Franchising handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis, aufgrund dessen der Franchisegeber dem selbstständigen Franchisenehmer gegen eine Gebühr das Recht einräumt, unter strengster Beachtung des Organisations- und Werbekonzepts des Unternehmens Waren oder Dienstleistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben. Dabei stellt der Franchisegeber den Firmenamen, das Warenzeichen sowie seine gewerbliche und technische Erfahrungen zur Verfügung. Im Gegenzug verpflichtet sich der Franchisenehmer zur Einhaltung des erprobten Geschäftskonzepts und unterzieht sich dem weitgehenden Kontroll- und Weisungsrecht des Franchisegebers.
Im Hinblick auf die Bereitschaft des Franchisenehmers, als selbstständiger Unternehmer zu fungieren, bietet diese Vertriebsart eine Reihe von Vorteilen für den Franchisegeber an. So kann dieser sein Geschäftskonzept rasch expandieren und gleichzeitig das eigene wirtschaftliche und Haftungsrisiko auf das Minimum reduzieren.
Für den Franchisenehmer birgt das Konzept jedoch Risiken, die nicht unterschätzt werden dürfen. So stehen dem Franchisenehmer trotz Tragung des vollen unternehmerischen Risikos wenig bis keine unternehmerische Freiheit sowie keine Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsplanung des Franchisegebers zu. Gleichzeitig übernimmt der Franchisenehmer das Haftungsrisiko für die fremden Produkte und die Dienstleistungen. Das Image der eigenen Franchise-Einheit ist in ständiger Abhängigkeit von dem Image des Franchisegebers und anderer Franchisenehmer.
Die konkrete vertragliche Ausgestaltung erfolgt immer anhand eines typengemischten Vertrages, der gesellschafts-, werk-, dienst-, kauf-, pacht-, lizenzvertragliche u.a. Elemente aufweist. Die (fast) fehlende gesetzliche Regelung dieses Vertragstypus erlaubt den Parteien, den Vertragsinhalt möglichst frei zu gestalten und an die konkreten Bedürfnisse zuzuschneiden.
Nichtsdestotrotz boomt das Franchise-Vertriebsprinzip auf dem bulgarischen Distributionsmarkt. Das Modell wird hauptsächlich von bulgarischen Jungunternehmern bevorzugt, die ihr eigenes Geschäft beginnen wollen. Die Vertriebsform wird auf dem nationalen Markt als vergleichsweise risikoarm und erfolgsversprechend eingeschätzt, da der Franchisenehmer die Unterstützung einer in der jeweiligen Branche bereits etablierten Marke sowie direkten Zugriff auf Infrastruktur bekommt und nicht erst eine neue Firma auf dem Markt behaupten muss. Dazu kommt der Franchisenehmer in den Genuss der besseren Kreditwürdigkeit der Marke, bekommt fortlaufende Personalschulungen und -weiterbildungen und kann häufig lokales Monopol genießen. Insbesondere in den Branchen Lebensmittel, Kosmetik, Immobilien und Hotelgewerbe haben sich Franchise-Einheiten großer ausländischer Unternehmen als erfolgreich bewiesen können. Nach offiziellen Studien der Bulgarischen Agentur für Investitionen haben sich etwa 68% der neueren Franchisenehmer-Einheiten in Bulgarien trotz der Wirtschaftskrise für eine Dauer von über 5 Jahren „über Wasser“ halten können.
Aufgrund des vergleichsweise niedrigeren Lebensstandards der bulgarischen Volkswirtschaft fallen auch die Rahmenbedingungen für den Aufbau eines Franchise-Geschäfts in Bulgarien im Vergleich zu anderen europäischen Staaten deutlich günstiger aus. So liegt der durchschnittliche Preis für einen derartigen Geschäftsbeginn bei ca. 5.900 BGN (ca. 3000 EUR) und die Anfangsinvestition für Lizenzzahlung und Erstausstattung berechnet sich im Durschnitt auf ca. 29.000 BGN (ca. 14.500 EUR).
7. Andere Vertriebsformen
Die o. g. Modalitäten zur Absatzmittlung stellen keine abschließende Aufzählung der Möglichkeiten dar, die das bulgarische Rechtssystem bei dem Vertrieb fremder Produkte zulässt.
Das bulgarische Vertriebsrecht kennt vielfältige Möglichkeiten zur Organisation eines Vertriebsnetzes, die den Besonderheiten einer Branche angepasst sind, so z. B. Outsourcingverträge in der IT-Branche, Online-Warenvertriebsverträge, Patent- und Know-how-Lizenzverträge, besondere Kommissionsverträge etc.
Ebenfalls kann jeder Händler, der nach dem nationalen Recht seines Gründungsstaates zur Ausübung eines Handelsgewerbes berechtigt ist, eine Zweigniederlassung oder eine eigene Handlungsvertretung nach den Sondervorschriften des BG-FfIG registrieren.
Rechtsanwältin Mareen Schneider / Ref Iur Yana Stoilova
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