KRANKENVERSICHERUNG
Keine irreführende Mitgliederwerbung durch Krankenkassen
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Karlsruhe (jur). Auch die gesetzlichen Krankenkassen dürfen keine unlautere Werbung betreiben. Im Wettbewerb um Mitglieder gelten sie als „Unternehmer“ und müssen daher die allgemeinen Wettbewerbsregeln beachten, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch, 24. September 2014, veröffentlichten Urteil entschied (Az.: I ZR 170/10). Die Karlsruher Richter setzten damit die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs um.
Im Internet hatte 2008 die BKK Mobile Oil behauptet, ein Wechsel der Kasse sei für die Mitglieder mit finanziellen Risiken verbunden. „Sie müssen am Ende möglicherweise draufzahlen, wenn Ihre neue Kasse mit dem ihr zugeteilten Geld nicht auskommt und deswegen einen Zusatzbeitrag erhebt.“
Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hielt diese Aussage für irreführend. Die BKK verschweige nämlich, dass den Versicherten im Fall der Erhebung eines Zusatzbeitrags ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht zusteht.
Die BKK Mobile Oil räumte den Fehler ein, wollte aber nicht für die Kosten der Wettbewerbszentrale aufkommen
Der Bundesgerichtshof (BGH) stufte die Werbung als irreführend ein. Er fragte aber beim EuGH an, ob die entsprechende EU-Richtlinie „über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt“ für eine Krankenkasse als öffentlicher Körperschaft überhaupt gilt.
Mit Urteil vom 3. Oktober 2013 hatte der EuGH dies erstmals bejaht (Az.: C-59/12, JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Die Richtlinie sei in jeder Hinsicht weit anzuwenden. Denn EU-Recht wolle „ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten“. Dies erfordere es, „dass dieser Schutz unabhängig vom öffentlichen oder privaten Charakter der fraglichen Einrichtung und von der speziellen von ihr wahrgenommenen Aufgabe garantiert wird“. Die in der Richtlinie verwendeten Begriffe „Unternehmen“ und „Gewerbetreibende“ seien letztlich als Gegenbegriffe zum „Verbraucher“ zu sehen. Beim Verbot irreführender Werbung gehe es dabei um alle Handlungen, die der „Absatzförderung“ dienen.
Damit sei die Werbung auch einer gesetzlichen Krankenkasse nach deutschem Recht als „geschäftliche Handlung“ einzustufen, urteilte nun der BGH. Der Gesetzgeber habe den gesetzlichen Krankenkassen bewusst Spielräume für einen gewissen Wettbewerb eingeräumt. Jedenfalls in diesem Wettbewerb handelten die Kassen „unternehmerisch“ und müssten sich daher an die Regeln des Wettbewerbsrechts halten.
Diese Regeln untersagten Werbung, „wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeigneten Angaben über Rechte des Verbrauchers enthält“, so der BGH in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 30. April 2014 weiter. Hier liege eine solche Täuschung vor. Die BKK Mobile Oil warne vor finanziellen Risiken, die wegen des dann gültigen Sonderkündigungsrechts gar nicht bestehen.
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