ARBEITSRECHT
Neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur außerordentlichen Kündigung
Autor: Rechtsanwältin Nicole Weber - Rechtsanwältin
Urteil vom 10.06.2010 - Fristlose Kündigung einer Kassiererin durch das Bundesarbeitsgericht aufgehoben!
Mit seinem Urteil vom 10.06.2010 hat das Bundesarbeitsgericht der Klage einer Kassiererin, die wegen des Einlösens von ihr nicht gehörenden Pfandbons mit einem Wert von insgesamt EUR 1,30 zum eigenen Vorteil nach 31 Dienstjahren fristlos gekündigt worden war, stattgegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt.
Das Bundesarbeitsgericht ist mit seiner Rechtsprechung im „Fall Emmely" damit von seiner bisherigen Rechtsprechung zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB abgerückt. Bislang bildete jede unmittelbar gegen die Vermögensinteressen des Arbeitgebers gerichtete Vertragsverletzung des Arbeitnehmers einen außerordentlichen Kündigungsgrund. Weder ein geringer Vermögensschaden noch eine langjährige beanstandungsfreie Beschäftigung sprachen für die Unwirksamkeit der Kündigung.
Diese oft harte Rechtsprechung ist bislang mit der völligen Zerstörung der Vertrauensgrundlage und der damit einhergehenden Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber begründet worden.
Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesarbeitsgericht nun abgerückt. Zukünftig muss bei vergleichbaren Fällen geprüft werden, ob „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile" ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB vorliegt. Die außerordentliche Kündigung darf nicht unverhältnismäßig sein. Dies bedeutet sie muss erforderlich und angemessen sein. Dies ist zum Beispiel dann nicht der Fall, wenn eine Abmahnung als milderes Mittel ausreichend gewesen wäre.
Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, besonders bei langjährigen Beschäftigungsverhältnissen sorgfältig geprüft werden muss, ob eine Abmahnung das angemessenere Mittel wäre. Für Arbeitnehmer in vergleichbaren Situationen ergibt sich eine Chance für den Erhalt des Arbeitsverhältnisses durch die gerichtliche Überprüfung der Kündigung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage.
Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass auch in Zukunft bei schwerwiegenden Vertragsverstößen mit höherem Vermögensschaden und kürzeren Beschäftigungszeiten auch weiterhin eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund wirksam sein wird.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09