ARZNEIMITTELRECHT
Zugang Sterbewilliger zu Natrium-Pentobarbital weiter eingeschränkt
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Zugang Sterbewilliger zu Natrium-Pentobarbital weiter eingeschränkt © Symbolgrafik:© grafikplusfoto - stock.adobe.com
Leipzig (jur). Das Bundesverwaltungsgericht hat den Zugang zu Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung weiter erschwert. Anspruch auf eine Erlaubnis besteht nach zwei am Dienstag, 7. November 2023, verkündeten Urteilen grundsätzlich nicht (Az.: 3 C 8.22 und 3 C 9.22). Unter Verweis auf „zumutbare Alternativen“ schränkten die Leipziger Richter auch die bisherige Ausnahme bei einer „extremen Notlage“ deutlich ein. Das Betäubungsmittelgesetz verfolge mit seinem Verbot „das legitime Ziel, Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Betäubungsmitteln zu verhindern“.
Damit wiesen die Leipziger Richter zwei Kläger ab. Der Erste leidet unter Bluthochdruck und einer Erkrankung seiner Herzkranzgefäße. Ein 2015 diagnostiziertes „Burkitt-Lymphom“, ein aggressiver Tumor an den Lymphknoten, wurde mit Chemotherapie zwar vollständig zurückgedrängt. Er will das Natrium-Pentobarbital aber für den Fall zu Hause haben, dass das Lymphom zurückkehrt.
Der zweite Kläger leidet an schwerer Multipler Sklerose. Er ist an den Armen und unterhalb des Schultergürtels gelähmt. Die inneren Organe sind geschwächt, eine Blasen- und eine Mastdarmentleerungsstörung sind die Folge. Rückenschmerzen und Spastiken können durch die Einnahme von Medikamenten gedämpft werden. Für jede Alltagsaktivität benötigt er Hilfe rund um die Uhr. Mit Assistenz will er nun sein „unerträgliches Leiden auf humane Weise beenden“.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte wie üblich die Anträge abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Köln und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster (Urteile und JurAgentur-Meldung vom 2. Februar 2022, Az.: 9 A 146/21 und 9 A 148/21) hatten dies als rechtmäßig bestätigt.
Dem schloss sich nun auch das Bundesverwaltungsgericht an. Zur Begründung verwies es auf die nach den Feststellungen des OVG „realistische Möglichkeit, über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden kann“. Dies verweist auf die medizinische Möglichkeit, einen jeweils auf die einzelne Person abgestimmten tödlichen Arzneimittel-Cocktail samt Einnahme-Fahrplan zusammenzustellen.
Dabei räumte das Bundesverwaltungsgericht ein, dass dies für die Sterbewilligen mit hohen Belastungen verbunden sei. So müssten sie einen zu dieser Hilfe bereiten Arzt finden und eine größere Menge an Medikamenten einnehmen. Bei Sterbewilligen mit Schluckbeschwerden könne dies auch zu Komplikationen führen, es gebe aber auch Möglichkeiten, Medikamente intravenös einzunehmen.
Diesen sich daraus für Sterbewillige ergebenden Erschwernissen stünden wichtige Gemeinwohlbelange gegenüber. „Die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung durch Miss- oder Fehlgebrauch des Mittels sind angesichts seiner tödlichen Wirkung und der einfachen Anwendbarkeit (von Natrium-Pentobarbital) besonders groß und wiegen schwer. Diese besonderen Gefahren sind die Kehrseite der dargelegten Vorzüge des Mittels für die Sterbewilligen.“
Auch mit Blick auf das vom Bundesverfassungsgericht ausgeurteilte Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 26. Februar 2020, Az.: 2 BvR 2347/15) sei das im Betäubungsmittelgesetz verankerte Verbot tödlicher Medikamente daher gerechtfertigt, entschied das Bundesverwaltungsgericht.
2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht Zugang zu Natrium-Pentobarbital „unter dem Gesichtspunkt einer extremen Notlage“ gewährt (Urteil vom 2. März 2017, Az.: 3 C 19.15; JurAgentur-Meldungen vom 2. März und 19. Mai 2017). Eine solche Notlage liege in beiden nun entschiedenen Fällen aber nicht vor. Zur Begründung verwiesen die Leipziger Richter auch hier auf „zumutbare Alternativen“. Damit beschränkten sie ihre alte Rechtsprechung auf medizinische Sonderfälle, in denen die Selbsttötung mit einem ärztlich zusammengestellten Arzneimittel-Cocktail samt zugehöriger Einnahme-Abfolge nicht möglich ist.
Im Dezember 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht eine weitere Konkretisierung des „Rechts auf selbstbestimmtes Sterben“ abgelehnt; dies würde den „politischen Gestaltungsspielraum bei der Erarbeitung eines übergreifenden legislativen Schutzkonzepts weitgehend einschränken und die Gestaltungsentscheidung (des Gesetzgebers) faktisch erschweren“ (Beschluss vom 10. Dezember 2020, Az.: 1 BvR 1873/19; JurAgentur-Meldung vom 5. Februar 2021). Ein Einigungsversuch im Bundestag war allerdings am 7. Juli 2023 gescheitert.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock