NACHBARSCHAFTSRECHT
Zur Frage, in welchem Umfang auf das Nachbargrundstück überhängende Zweige beseitigt
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Kurzfassung
Nicht erst seitdem der „Maschendrahtzaun“ zum Synonym für Nachbarstreitigkeiten geworden ist, schalten zankende „Nebenlieger“ Gerichte ein. Ob Grenzbebauung, Wegerecht, Gartenzwerge oder Hundegebell: die Anlässe, sich nicht mehr grün zu sein, sind mannigfaltig. So kann auch eine Fichte manchen Nachbarn fuchtig werden lassen.
Amtsgericht Lichtenfels und Landgericht Coburg hatten nun in Sachen Fichte zu richten und sich mit der Frage zu befassen, inwieweit auf das Nachbargrundstück überhängende Äste und Zweige eines mehr als fünfzigjährigen Baumes zu entfernen sind. Ergebnis der Prüfung: die benadelten Baumausläufer muss der Baumeigentümer bis zu einer Höhe von fünf Metern beseitigen - mehr jedoch nicht.
Sachverhalt
Nach etwa 50 Jahren focht der Nachbarin Fichte die Klägerin an – vor allem die auf ihr Grundstück überhängenden Äste und Zweige des nahe an der Grenze stehenden stattlichen Baumes. Sie meinte, wegen der herabfallenden Nadeln seien der Trockenplatz und das Gemüsebeet kaum nutzbar. Ein Teil der Zweige peitsche ihr aufs Hausdach, Fichtenzapfen würden geschossgleich zu Boden stürzen. Die Beklagte hingegen meinte, der Baum stehe doch schon seit Jahrzehnten dort. Die Nadeln könnten auch von anderen Fichten stammen – also „windverfrachtet“ sein. Und schließlich sei die Klägerin selbst schuld, wenn sie das Grundstück ausgerechnet im fraglichen Bereich wie beschrieben nutze. Die Klägerin verlangte Entfernung sämtlicher über die Grenze ragenden Äste/Zweige.
Gerichtsentscheidung
Das Amtsgericht Lichtenfels nahm einen Augenschein ein und befand dann salomonisch, eine Entastung sei nur bis zu fünf Metern Höhe vorzunehmen. Grundsätzlich dürfe die Klägerin ihr Grundstück nutzen, wie sie das für richtig halte. Die Nutzung ihres Grund und Bodens werde auch beeinträchtigt. Der Einwand, die unter dem Baum liegenden Nadeln seien herbeigeweht worden, könne aufgrund naturgegebener Gesetzmäßigkeiten ohne weiteres ausgeschlossen werden. Andererseits sei aber davon auszugehen, dass eine einseitig ihrer Äste beraubte Fichte auf Dauer nicht überleben werde. Die Klägerin könne aber nach mehr als 50 Jahren eine komplette Baumbeseitigung nicht verlangen – der entsprechende Anspruch sei verjährt. Daher müsse sie Äste und Zweige ab fünf Metern dulden.
Das von der damit nicht einverstandenen Klägerin angerufene Landgericht Coburg erklärte eine Berufung für unzulässig. Der Klagewert sei auf 1.000,- DM zu bemessen – das entspreche der geltend gemachten Beeinträchtigung. Die Berufungssumme war damit nicht erreicht, die Entscheidung des Amtsgerichts rechtskräftig.
Fazit
Vielleicht kommen sich die Nachbarinnen nun unter dem Motto der Sängerin Alexandra („Mein Freund der Baum...“) wieder etwas näher.
(Amtsgericht Lichtenfels, Az: 1 C 40/00; Landgericht Coburg, AZ: 32 S 11/01)