ARBEITSRECHT
Arbeitszeitkonto und Minusstunden
Autor: Volker Backs LL.M. - Rechtsanwalt
Ausgangslage
Wenn in einem Betrieb ein Arbeitszeitkonto geführt wird, ergibt sich häufig zum Ende von Abrechnungsperioden, spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Schwierigkeit, dass das Arbeitszeitkonto ein Minus aufweist und aufgrund der Beendigung diese Stunden tatsächlich nicht mehr nachgeholt werden können. Es stellt sich dann die Frage, inwieweit die Verrechnung mit der Vergütung für die nicht geleisteten Arbeitsstunden zulässig ist.
Voraussetzung: der Eingriff in das Arbeitszeitkonto muss erlaubt sein
Dem Arbeitgeber muss es grundsätzlich erlaubt sein, in das Arbeitszeitkonto einzugreifen. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag eine entsprechende Regelung enthält.
Ergibt sich daraus (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) nicht die Möglichkeit, das Arbeitszeitkonto mit Minusstunden zu belasten, sondern ergibt sich aus der konkreten Regelung (nur), dass alleiniger Zweck des Arbeitszeitkontos der Nachweis der erworbenen Gutstunden ist, mit der Maßgabe, dass diese in Freizeit auszugleichen sind, lässt sich hieraus die Belastung des Arbeitszeitkontos mit Minusstunden nicht entnehmen (vgl. BAG, Urteil vom 21.3. 2012, 5 AZR 676/11).
Zu beachten ist, dass bei vorbehaltloser Mitteilung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer über den Stand des Arbeitszeitkontos dieser Stand des Kontos und gegebenenfalls auch die Vergütungshöhe streitlos gestellt werden (vgl. BAG, Urteil vom 28.07.2010, 5 AZR 521/09).
Die Vereinbarung über Verrechnungsmöglichkeiten
Voraussetzung für die Belastung eines Arbeitszeitkontos mit Minusstunden ist, dass der Arbeitgeber diese Stunden im Rahmen einer „verstetigten Vergütung* entlohnt hat und der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist, weil er die in den Minusstunden enthaltene Arbeitszeit bereits (im Vorschusswege) vergütet erhalten hat. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer alleine darüber entscheidet, ob Minusstunden entstehen und er deshalb seine Vergütung im Vorschusswege erhält.
Ist das Entstehen von Minusstunden ausschließlich der Risikosphäre des Arbeitgebers zuzuordnen, sind die Minusstunden als Ausdruck fehlender Arbeitsmöglichkeiten auf Arbeitgeberseite, ist die Verrechnung ausgeschlossen. In diesen Fällen erhält der Arbeitnehmer seine Vergütung aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes, da sich der Arbeitgeber gegenüber dem arbeitswilligen Arbeitnehmer im Annahmeverzug befindet (vgl. BAG Urteil vom 26.01.2011, 5 AZR 819/09).
In Fällen, in denen eine regelmäßige Verteilung der Arbeitszeit nicht erfolgt und die Arbeit flexibel durch Abruf geleistet wird, ist es Sache des Arbeitgebers, die Soll-Arbeitszeit (durch Abruf) tatsächlich auszuschöpfen. Tut er dies nicht, so ist nicht von einem freiwilligen Entstehen der Minusstunden auszugehen mit der Folge, dass in der monatlichen Vergütung eine Vorschusszahlung nicht gesehen werden kann. Dies berechtigt dann den Arbeitgeber nicht, einen Abzug für Minusstunden vorzunehmen.
* verstetigtes Arbeitsentgelt: Bestimmung des Monatseinkommen unter Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden
Geltung von Ausschlussfristen
Ist der Saldo eines Arbeitszeitkontos durch den Arbeitgeber bereits anerkannt, was in der Regel durch die Bestätigung des Arbeitgebers auf dem Arbeitszeitkonto geschieht, so wird nicht nur der Saldo streitlos gestellt, sondern auch der Vergütungsanspruch anerkannt. Stellt eine Lohnabrechnung bereits ein Anerkenntnis des Vergütungsanspruch dar, so ist in dem Arbeitszeitkonto nur eine andere Form des Vergütungsanspruches zu erkennen, der nicht mehr des besonderen Schutzes von Ausschlussfristen bedarf (vgl. BAG, Urteil vom 28.07.2010, 5 AZR 521/09).
Praxistipp
Es ist sicherzustellen, dass der Arbeitgeber in Fällen, in denen eine flexible Arbeitszeitgestaltung möglich ist, den Abruf der Soll-Arbeitszeit dokumentiert, da andernfalls die Zahlungen nicht als Vorschussleistungen bewertet werden können und daher ein Verrechnungsanspruch ausscheidet.
Im Arbeitsvertrag sollte eine Regelung enthalten sein, die feststellt, dass es sich bei der Aufnahme von Minusstunden in ein Zeitkonto um vorweggenommenen Freizeitausgleich handelt, ohne dass dies zum Ausgleich eines bereits vorhandenen Guthabens erfolgt.
Ferner ist zu regeln, dass ein solcher Freizeitausgleich im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten im Vorwegwege durch den Arbeitnehmer genommen werden kann und die darin liegende Vorwegleistung mit späteren Vergütungsforderungen des Arbeitgebers verrechnet werden kann.
Dresden, im September 2015
©Rechtsanwalt Volker Backs LL.M., Dresden und München