VERSICHERUNGSRECHT
BGH: Versicherer dürfen vertragliche Inhalte nicht auf verschiedene Klauseln verteilen
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Karlsruhe (jur). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Transparenzgebot für Versicherungsverträge gestärkt. Nach einem am Mittwoch, 13. Januar 2016, verkündeten Urteil dürfen die Versicherer vertragliche Inhalte nicht auf verschiedene Stellen und Verweisketten ihrer Versicherungsbedingungen verteilen (Az.: IV ZR 38/14). Konkret verwarfen die Karlsruher Richter Klauseln für die Kostenüberschussbeteiligung bei kleineren Riester-Verträgen der Allianz. Nach Angaben des Versicherers geht es dabei allerdings nur um allenfalls 60 Cent pro Jahr.
Die Kostenüberschüsse ergeben sich aus Einsparungen des Versicherers bei der Anlageverwaltung. In den Vertragsbedingungen der Allianz Lebensversicherungs-AG heißt es, die Versicherungsnehmer würden entsprechend der gesetzlichen Vorgaben daran beteiligt. Erst aus Angaben an anderer Stelle des Vertragswerks und Verweisen bis hin zu den Geschäftsberichten des Unternehmens ergibt sich, dass dies nur mittlere und größere Versicherungsverträge umfasst, derzeit ab einem Volumen von etwa 40.000 Euro.
Dagegen klagten gemeinsam der Bund der Versicherten und die Verbraucherzentrale Hamburg. Das Regelungswerk sei intransparent und schließe ausgerechnet Geringverdiener, Kinderreiche und ältere Sparer von den Kostenüberschüssen aus. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart sind davon 30 bis 40 Prozent der Allianz-Riesterverträge betroffen, insgesamt mehrere Hunderttausend Verträge.
Schon das OLG Stuttgart hatte der Klage der Verbraucherschützer stattgegeben (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 23. Januar 2014, Az.: 2 U 57/13). Dies hat nun auch der BGH bestätigt.
Die Versicherungsbedingungen erweckten den Eindruck, dass alle Verträge an den Kostenüberschüssen beteiligt werden. Dass dies für kleinere Verträge nicht gilt, könne ein „durchschnittlicher Vertragsinteressent“ nicht erkennen, rügten die Karlsruher Richter. Daher verstoße der Ausschluss kleinerer Versicherungsverträge gegen das gesetzliche Transparenzgebot.
Ohne Erfolg hatte die Allianz argumentiert, dass die Regelungen sachgerecht seien und den gesetzlichen Vorgaben entsprächen. Ob dies zutrifft, prüfte der BGH nicht. Maßgeblich sei allein, dass die Vertragsbedingungen den Eindruck einer Beteiligung an den Kostenüberschüssen erwecken, auch wenn dies für eine Vielzahl der Verträge nicht zutrifft.
Auch auf die nach Angaben der Allianz geringen Summen komme es daher nicht an. Nach eigenen Angaben erwirtschaftete das Unternehmen 2012 Kostenüberschüsse von 300.000 Euro. Umgelegt seien dies rein rechnerisch nur 60 Cent je Vertrag. Intransparente Vertragsklauseln könne auch dies nicht entschuldigen, betonte der BGH. Denn die Zusicherung einer Kostenüberschussbeteiligung sei insgesamt geeignet, die Anlageentscheidung der Verbraucher zu beeinflussen.
Als Konsequenz des Karlsruher Urteils haben Versicherungsnehmer mit Altverträgen unter der Geringfügigkeitsschwelle nun Anspruch auf einen Nachschlag und zudem künftig auf eine Beteiligung an den Kostenüberschüssen – nach den Darstellungen der Allianz allerdings nur in geringer Höhe. Für Neuverträge darf die Allianz diese Klauseln nicht mehr verwenden. Das BGH-Urteil schließt allerdings nicht aus, dass die Allianz eine inhaltlich gleiche Regelung in nun transparenter Form neu in ihre Versicherungsbedingungen aufnimmt.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage