VERWALTUNGSRECHT
Corona-Schließungen im ersten Lockdown Frühjahr 2020 rechtmäßig
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Mannheim (jur). Die Corona-Schließungen während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 waren rechtmäßig. Mit drei am Montag, 4. Juli 2022, bekanntgegebenen Urteilen wies der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim Klagen eines Fitnessstudios (Az.: 1 S 926/20), eines Restaurantbetreibers (Az.: 1 S 1067/20) und einer Parfümeriekette (Az.: 1 S 1079/20) ab. Formmängel seien geheilt und Grundrechte nicht verletzt.
Wie in den anderen Bundesländern wurden in Baden-Württemberg durch eine Corona-Verordnung der Landesregierung Mitte März 2020 zahlreiche Geschäfte und Einrichtungen geschlossen. Je nach Betrieb galt dies für fünf bis elf Wochen. Bereits im April 2020 hatte der VGH die dagegen gerichteten Eilanträge abgewiesen.
Dies haben die Mannheimer Richter nun bestätigt. Mit ihren Urteilen vom 2. Juni 2020 wiesen sie formale Rügen und verfassungsrechtliche Kritik ab, ließen aber in allen drei Fällen die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu.
Formal rügte der VGH, dass der Ministerpräsident die Corona-Verordnung nicht rechtzeitig zur „Notverkündung“ im Internet unterschrieben habe. Dieser Mangel sei aber bis zur Verkündung im Gesetzblatt geheilt worden.
Die Kritik, derart gravierende Eingriffe in die Berufsfreiheit und weitere Grundrechte müsse der Landtag per Gesetz beschließen, teilte der VGH nicht. Das Infektionsschutzgesetz biete eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Einschnitte. Dabei ermögliche das Gesetz auch vorbeugende Maßnahmen der Gefahrenvorsorge. Darauf, ob es in einem Betrieb bereits zu Coronainfektionen gekommen sei, komme es daher nicht an.
Es komme aber immer wieder vor, dass neue Erreger auftreten, deren Risiken und Folgen zunächst nicht oder nicht vollständig bekannt sind. Daher liege es in der Natur der Sache, dass sich nicht von vornherein absehen lasse, welche Maßnahmen sich später als wirksam und „notwendig“ erweisen. Die weite Klausel des Infektionsschutzgesetzes zu vorbeugenden Abwehrmaßnahmen sei daher „für einen Beobachtungs- oder Übergangszeitraum verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden“.
Die Mannheimer Richter betonten, dass daher für den zweiten Lockdown im Herbst 2020 die Anforderungen wohl höher waren. Dies sei in den drei hier entschiedenen Fällen aber noch nicht Streitthema gewesen. Im Eilverfahren hatte der VGH Mannheim das „Beherbergungsverbot“ unter anderem für Hotels als noch verhältnismäßig angesehen (Beschluss und JurAgentur-Meldung vom 5. November 2020, Az.: 1 S 3405/20).
Nach allen Prognosen auch des Robert-Koch-Instituts habe im Frühjahr 2020 eine Überlastung der Intensivstationen gedroht. Vor diesem Hintergrund sei auch der Eingriff in die Berufsfreiheit gerechtfertigt gewesen, um so „Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen zu schützen“. Zudem sei der Eingriff durch verschiedene Corona-Hilfen abgemildert worden.
Umsatz- und Gewinnerwartungen seien verfassungsrechtlich nicht geschützt, betonte der VGH. Vielmehr unterlägen diese den Risiken unternehmerischer Tätigkeit. Der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit sei daher gar nicht berührt.
Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz war nach den Mannheimer Urteilen nicht verletzt. Dass der „grundversorgungsrelevante Einzelhandel“ weiter öffnen durfte, sei „durch gewichtige Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt“ gewesen.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock