LEBENSMITTELRECHT
Deutsche Pilze aus den Niederlanden?
Autor: ROSE & PARTNER - Rechtsanwälte Steuerberater - Kanzlei
Im Streit um die richtige Herkunftsbezeichnung für Obst und Gemüse hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes angeschlossen. Danach kommt es für die Bestimmung des Ursprungslandes auf den Ernteort des Lebensmittels an und nicht auf den Ort, an dem wesentliche Produktionsschritte vorgenommen worden sind.
Umstrittener Ursprungsort
Was ist der Ursprungsort eines Lebensmittels? Und ändert sich dieser, wenn Produktionsort und Ernteort auseinanderfallen? Mit diesen Fragen aus dem Lebensmittelrecht hatte sich kürzlich der BGH zu beschäftigen.
Ausgangspunkt war eine Klage der Wettbewerbszentrale gegen einen niederländischen Pilz-Produzenten. Dieser züchtet Kulturchampignons und transportiert diese erst kurz vor der Ernte über die deutsche Grenze. Die Pilze wurden dann unter der Kennzeichnung „Ursprungsland: Deutschland“ verkauft. Durch diese Etikettierung ging die Wettbewerbszentrale von einer Irreführung der Verbraucher aus. Schließlich fand ein wesentlicher Teil der Lebensmittelproduktion nicht in Deutschland, sondern in den Niederlanden statt.
Europarecht gibt klare Regelung vor
Bei der Frage der richtigen Lebensmittelkennzeichnung spielten auch europäische Vorschriften eine Rolle. Zur Auslegung dieser Regelungen hatte der BGH daher dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Insbesondere sollte geklärt werden, ob auch dann der Ernteort eines Lebensmittels maßgeblich ist, wenn ein wesentlicher Teil der Produktion in einem anderen Mitgliedstaat stattgefunden hat.
Der EuGH betonte bei der Beantwortung dieser Frage, dass es nach den europäischen Vorschriften bei der Ermittlung des Ursprungslandes allein auf den Ernteort ankomme. Vorangegangene Produktionsschritte in einem anderen EU-Land seien daher irrelevant. Es komme also nicht darauf an, ob das Lebensmittel erst drei, zwei oder auch nur einen Tag vor der Ernte nach Deutschland verbracht wurde. Solange der tatsächliche Ernteprozess innerhalb Deutschlands erfolgt sei, sei dieses auch als "Ursprungsland" zu qualifizieren (Urteil v. 04.09.2019; C-686717).
BGH: Keine Irreführung der Verbraucher
Nach dem Urteil des EuGH hat sich auch der BGH im Ergebnis dieser Auffassung angeschlossen. Laut BGH seien die europäischen Vorgaben so auszulegen, dass Ursprungsland stets das Ernteland sei, auch wenn die wesentlichen Schritte der Lebensmittelproduktion im EU-Ausland stattgefunden haben. Da hier die Pilze in Deutschland geerntet worden waren, war dies also auch als Ursprungsland auf der Verpackung anzugeben. Eine Irreführung der Verbraucher lehnte damit auch der BGH ab (Urteil v. 16.01.2020, Az.: I ZR 74/16).
Zwar ist das Urteil des BGH damit konsequent – bei Verbrauchern dürfte es dennoch für Verwunderung sorgen. Für diese wird der Ort der Lebensmittelproduktion häufig relevanter sein, als der Ort, an dem allein die Ernte stattgefunden hat. Dank moderner Anbaumethoden können diese Orte jedenfalls auseinanderfallen. Die jetzige Gesetzeslage könnte daher auch zur Folge haben, dass Obst- und Gemüse in einem Mitgliedstaat produziert, zur Ernte nach Deutschland verbracht und dort als „regionale“ Produkte vermarktet werden. Ob dies dann noch mit den Interessen der Verbraucher in Einklang zu bringen ist, bleibt fraglich.
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