BAURECHT, PRIVAT
Enteignungsverfahren - Bauplanungsverfahren
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Leitsätze
- Verhältnis Umlegungsverfahren / Enteignung
- Gebot des geringstmöglichen Eingriffs
- Berücksichtigung von Mängeln des Bebauungsplans
- Maßstab für Bewertung der enteigneten Fläche
- Voraussetzung für Zulässigkeit: Mildere Mittel versp
Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg
vom19.12.2001, Az. 44 U 2656/00
E n d u r t e i l
Die Berufung der Antragsteller gegen das Endurteil des Landgerichts ... - Kammer für Baulandsachen - ..... wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer beträgt für die Antragsteller 35.982 DM.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 35.982 DM festgesetzt.
Tatbestand:
Die Antragsteller wenden sich gegen die Enteignung des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung X, vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Y für X, Band .., Blatt ... Das 389 qm große Grundstück wurde durch Teilung des ebenfalls den Antragstellern gehörenden Grundstücks Fl.Nr. ... gebildet und 1994 im Grundbuch eingetragen. Die Antragsteller sind zu je 1/5 Eigentümer des Grundstücks.
Die Fläche ist im seit ... 1991 rechtsverbindlichen Bebauungsplan "R II" als Zufahrtsstraße von der südlich verlaufenden Z Straße zum Baugebiet ausgewiesen. Bei den Verhandlungen über einen freihändigen Erwerb bot die beteiligte Stadt X (im Folgenden: Beteiligte) den Antragstellern als Kaufpreis einen Betrag von 57,50 DM pro qm an; alternativ dazu bot sie die Veräußerung eines parzellierten Baugrundstücks im Plangebiet im Tauschweg unter Anrechnung der streitgegenständlichen Fläche mit 57,50 DM pro qm oder den Tausch einer gleich großen landwirtschaftlichen Teilfläche aus dem östlich angrenzenden, im Eigentum der Beteiligten stehenden Grundstück Fl.Nr. ... an.
Die Antragsteller lehnten dies ab. Sie seien nur bereit, die betroffene Fläche zu einem Preis von 150 DM pro qm zu veräußern oder diese im Verhältnis 1:1 mit einer Bauparzelle im Plangebiet bzw. im Verhältnis 5:1 mit Flächen aus dem städtischen Grundstück zu tauschen.
Am 6. März 1992 beantragte die Beteiligte beim Landratsamt Y-X die Enteignung der für den Straßenbau benötigten Fläche. Mit Wirkung vom 11. Juli 1992 wies das Landratsamt die Beteiligte in den Besitz der Fläche ein; einen dagegen gerichteten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wies das Landgericht .... mit Beschluss vom 13. August 1992 zurück.
Nach dem vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Bereich des Landkreises Y-X erstatteten Wertgutachten vom 17. Oktober 1994 ist für die streitgegenständliche Fläche von 389 qm für den Stichtag 11. Juli 1992 auf der Basis von Vergleichspreisen in vier näher genannten Fällen ein Bodenwert von 22.367,50 DM (57,50 DM pro qm) anzunehmen.
Die Antragsteller wandten hiergegen ein, die Fläche sei nicht als lediglich landwirtschaftlich nutzbare Fläche, sondern als Bauland einzustufen; denn bei Durchführung einer Umlegung hätten sie - unter Abzug des üblichen Prozentsatzes für Verkehrs- und Allgemeinflächen - einen Anspruch auf Zuweisung von Bauland; die Festsetzung als Verkehrsfläche im Bebauungsplan sei für die Bewertung unbeachtlich. Bei drei der vier herangezogenen Vergleichsgrundstücke seien im Übrigen die Kaufverträge vor dem In-Kraft-Treten des Bebauungsplans abgeschlossen worden; ein einziges Grundstück reiche aber zur Verkehrswertermittlung nicht aus. Nicht berücksichtigt worden sei, dass die vorgesehene Haupterschließungsstraße zum Baugebiet ca. 2 m höher liege als das verbleibende Grundstück Fl.Nr. ... der Antragsteller, das damit von der bisherigen Erschließungsstraße abgeschnitten werde und eine erhebliche Werteinbuße erleide. Außerdem sei der Straßenbaumaßnahme auch eine Fichtenhecke zum Opfer gefallen. Beim Verhandlungstermin über die beantragte Enteignung am 5. November 1995 führten die Antragsteller ergänzend aus, bei der enteignungsbetroffenen Fläche habe es sich aufgrund des Flächennutzungsplans zunächst um Bauerwartungsland gehandelt, für das die Beteiligte einen Preis von 100 DM pro qm zahle; mit Aufstellung des Bebauungsplans sei daraus Rohbauland geworden.
Mit Enteignungsbeschluss vom 16. Mai 1995 entzog das Landratsamt den Antragstellern zugunsten der Beteiligten das Eigentum am Grundstück Fl.Nr. .... und setzte als Entschädigung einen Betrag von 22.367,50 DM sowie für den Verlust der Fichten und Obstbäume auf dem Grundstück einen Betrag von 894,70 DM fest, zu verzinsen jeweils ab 11. Juli 1992 mit 2% über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank.
Die Antragsteller stellten hierauf beim Landratsamt Antrag nach § 217 BauGB auf Aufhebung des Enteignungsbeschlusses, hilfsweise auf Festsetzung einer weiteren angemessenen Entschädigung, mindestens in Höhe von 35.982 DM. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, die Beteiligte habe bereits kein ernsthaftes Bemühen um einen freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessenen Bedingungen unternommen, weil sie die rechtlichen Gegebenheiten grundlegend verkannt habe. Der Enteignungsbeschluss verstoße gegen § 87 Abs. 1 BauGB, weil der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise, nämlich durch ein für die Antragsteller wirtschaftlich günstigeres Umlegungsverfahren hätte erreicht werden können. Bei einer Erschließungsumlegung hätte jedoch zur Vermeidung eines Sonderopfers der Eigentümer von im Bebauungsplan als Verkehrsflächen ausgewiesenen Grundstücken von Rohbaulandqualität des Grundstücks ausgegangen werden müssen. Das mit dem verfassungsrechtlich gebotenen milderen Mittel eines Umlegungsverfahrens zu erzielende wirtschaftliche Ergebnis könne den Antragstellern nicht dadurch entzogen werden, dass die Beteiligte von einem Umlegungsverfahren Abstand nehme und die Enteignung begehre.
Mit Endurteil vom 30. Mai 2000 hat das Landgericht .... den Antrag auf gerichtliche Entscheidung abgewiesen, im Wesentlichen aus folgenden Gründen:
Die Enteignungsvoraussetzungen nach §§ 85 ff. BauGB seien gegeben, weil die enteignungsbetroffene Fläche im rechtsverbindlichen Bebauungsplan "R II" als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesen und deshalb der Entzug des Grundeigentums zu Gunsten der Beteiligten als des zuständigen Straßenbaulastträgers geboten gewesen sei. Inhaltliche Mängel des Bebauungsplans seien nicht ersichtlich und auch von den Antragstellern nicht substantiiert und fristgerecht geltend gemacht worden. Die gerügten Abwägungsmängel wären jedenfalls nach § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB unbeachtlich, weil sie nicht innerhalb einer Frist von sieben Jahren seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden seien. Der Enteignungszweck habe auch nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden können. Denn die Umlegung habe keinen generellen Vorrang gegenüber einer Enteignung; deren Subsidiarität sei vielmehr abhängig von der Zumutbarkeit des geringeren Eingriffs, wobei auch dem Enteignungsbegünstigten entstehende unverhältnismäßige Mehraufwendungen zu berücksichtigen seien. Die Beteiligte habe unwidersprochen und substantiiert dargelegt, dass für die Durchführung eines notwendigerweise das gesamte Bebauungsplangebiet umfassenden Umlegungsverfahrens Kosten in Höhe von mindestens 196.000 DM angefallen wären, womit der im Enteignungsverfahren errechnete Verkehrswert und selbst der von den Antragstellern mit dem Hilfsantrag im gerichtlichen Verfahren erstrebte Gesamtbetrag von 58.349,50 DM um ein Mehrfaches überschritten worden wäre. Im Übrigen hätten die Antragsteller sich nicht von Anfang an ausdrücklich und unmissverständlich einem Eigentumsentzug widersetzt und auf Durchführung eines Umlegungsverfahrens gedrungen, sondern lediglich die angebotene Entschädigung als zu niedrig abgelehnt bzw. bei einer Entschädigung in Ersatzland ein anderes Tauschverhältnis gefordert. Die Beteiligte habe deshalb noch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Besitzeinweisung davon ausgehen können, dass die Antragsteller sich nicht gegen die Enteignung als solche, sondern nur gegen den angebotenen bzw. festgesetzten Entschädigungsbetrag wenden. Die Forderung nach vorrangiger Durchführung eines Umlegungsverfahrens sei ausdrücklich erstmals mit der Antragsbegründung vom 23. Dezember 1998 erhoben worden; zu diesem Zeitpunkt sei das Plangebiet bereits in einer Weise bebaut gewesen, die die Durchführung eines Umlegungsverfahrens praktisch ausschloss. Eine frühere Einleitung des Umlegungsverfahrens allein zum Zweck der Einbeziehung des Grundstücks der Antragsteller hätte für alle sonstigen Eigentümer im Plangebiet eine erhebliche Belastung sowie zeitliche Verzögerungen bei der baulichen Nutzung ihrer Grundstücke mit sich gebracht, was angesichts der im gesamten übrigen Plangebiet unstreitigen Flächenzuteilung für eine Vielzahl von Personen und auch für das Interesse der Allgemeinheit an schnellstmöglicher Verfügbarkeit bebaubarer Grundstücksflächen eine unzumutbare Erschwernis bedeutet hätte, zumal nur bei einem einzigen Grundstück im Plangebiet ein Bedürfnis für bodenordnende Maßnahmen bestanden habe. Die Summe der umlegungsbedingten Erschwernisse für die weiteren Eigentümer hätte den Umlegungsvorteil zu Gunsten der Antragsteller bei Weitem überwogen. Zudem sei die Grundstückssituation der Antragsteller nicht vergleichbar mit den nördlich davon im eigentlichen Plangebiet gelegenen Grundstücken, weshalb eine Teilhabe der Antragsteller am wirtschaftlichen Wertzuwachs der Wohnbauflächen im Plangebiet im Wege der Umlegung nicht geboten gewesen sei. Die enteignungsbetroffene Fläche habe nämlich nach dem Flächennutzungsplan zum Außenbereich gehört und hätte daher selbst im Fall einer Umlegung kaum als Rohbauland eingestuft werden können. Das Grundstück und die angrenzenden Teile der Erschließungstrasse seien bereits durch ihre Lage dazu prädestiniert gewesen, bei Einbeziehung in den Bebauungsplan allenfalls als Gemeinbedarfsflächen in Betracht zu kommen. Ebenso wie die benachbarten, von der Beteiligten freihändig erworbenen Teilflächen auf der Erschließungstrasse sei die enteignungsbetroffene Fläche auch zu klein gewesen, um in sinnvoller Weise in ein Umlegungsverfahren einbezogen zu werden. Das bauplanerische Konzept habe eine großzügige Bebauung mit Grundstücksgrößen von regelmäßig über 500 qm vorgesehen; selbst von den wenigen kleineren Grundstücken sei kein einziges kleiner als 400 qm. Für die nur 389 qm große Fläche hätte nach dem im Umlegungsverfahren notwendigen Flächenabzug von bis zu 30% ohnehin kein gleichwertiges Ersatzgrundstück angeboten werden können; bei Zuzahlung der Antragsteller wäre hinter dieser die eigentliche Umlegung beinahe zurückgetreten. Die festgesetzte Entschädigung in Höhe von 57,50 DM pro qm entspreche dem Verkehrswert im Zeitpunkt des Besitzübergangs. Bezüglich der Bodenqualität könne weder von Bauerwartungsland noch von einer Rohbaufläche ausgegangen werden, weil das außerhalb der im Flächennutzungsplan vorgesehenen Wohnbaufläche gelegene Grundstück durch die Einbeziehung in den später erlassenen Bebauungsplan wegen der gleichzeitigen Festsetzung als öffentliche Verkehrsfläche jedenfalls keine Wertsteigerung erfahren habe; der hiermit verbundenen Vorwirkung der Enteignung habe durch Rückgriff auf die Bodenqualität vor Erlass des Bebauungsplans Rechnung getragen werden müssen. Ohne Bedenken sei auch die Heranziehung der vier ebenfalls auf der Erschließungstrasse gelegenen, von der Beteiligten kurz vor bzw. nach In-Kraft-Treten des Bebauungsplans freihändig erworbenen Vergleichsgrundstücke in unmittelbarer Nähe des streitgegenständlichen Grundstücks. Die Antragsteller hätten keine Erwerbsvorgänge benennen können, in denen für vergleichbare Grundstücke ein höherer Betrag gezahlt worden wäre. Damit stehe zugleich fest, dass das gleichlautende Angebot der Beteiligten im freihändigen Erwerb angemessen war und die Antragsteller auch mit dem hilfsweise gestellten Antrag keine weitere Entschädigungszahlung beanspruchen könnten.
Gegen dieses Endurteil haben die Antragsteller Berufung eingelegt. In ihrer Rechtsmittelbegründung vertiefen sie ihr Vorbringen in erster Instanz. Ergänzend machen sie Folgendes geltend:
Sie hätten bereits am 23. Juni 1992 im Enteignungsverfahren die Umlegung ausdrücklich angesprochen. Die vom Landgericht für ein Umlegungsverfahren angenommene erhebliche zeitliche Verzögerung zu Lasten aller Grundstückseigentümer im Plangebiet liege ausschließlich in der Disposition der Beteiligten, die das Umlegungsverfahren bereits vor In-Kraft-Treten des Bebauungsplans hätte einleiten können. Belastungen der übrigen Eigentümer durch die Umlegung seien unerfindlich, zumal es sich bei diesen Eigentümern im Wesentlichen um die Beteiligte selbst handele. Die geringe Größe der enteignungsbetroffenen Fläche sei im Zusammenhang mit einer Umlegung irrelevant, weil die zur Erlangung eines bebaubaren Plangrundstücks erforderliche Mehrzuteilung durch Aufzahlung hätte ausgeglichen werden können; im Übrigen hätte die Möglichkeit des Geldausgleichs nach § 59 Abs. 2 Satz 1 BauGB bestanden. Den Antragstellern müsse zumindest das wirtschaftliche Ergebnis des eigentlich gebotenen Umlegungsverfahrens gewährt werden. Die enteignungsbetroffene Fläche sei deshalb als Rohbauland einzustufen. Dem stehe auch die Ausweisung als Erschließungsfläche nicht entgegen, denn der Bebauungsplan sei insoweit wegen Verstoßes gegen das Entwicklungsgebot unwirksam. Die Erschließungsflächen dienten dem Wohngebiet insgesamt; den Antragstellern werde somit ein unzumutbares Sonderopfer zugunsten der Wohnbaugrundstücke auferlegt, die erst durch die Erschließung bebaubar würden und einen Wertzuwachs erführen. Die Fläche sei auch nicht etwa durch ihre besondere Situation auf die Nutzung als Erschließungsfläche vorbereitet; sie unterscheide sich in ihren tatsächlichen Verhältnissen nicht von den sonstigen Flächen des Baugebiets und sei nicht aufgrund der Darstellung des Flächennutzungsplans für eine Gemeinbedarfsnutzung "prädestiniert". Im Übrigen verstoße der Enteignungsbeschluss bereits deshalb gegen das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs, weil die geplante Straße nicht - wie möglich - auf der Trasse eines bereits vorhandenen Wegs, sondern weiter südöstlich verlaufe und erst hierdurch eine erhebliche Inanspruchnahme von im Eigentum der Antragsteller stehenden Flächen notwendig werde. Das von der Beteiligten im fraglichen Bereich geschaffene Straßengrundstück habe an der schmalsten Stelle eine Breite von 20 m, ansonsten eine Breite von bis zu 40 m. Demgegenüber sei die hier anzulegende Straße laut Enteignungsbeschluss einschließlich Gehweg und Grünstreifen nur 9,55 m breit. Bei Beachtung des Gebots des geringstmöglichen Eingriffs hätte das Eigentum der Antragsteller somit weitgehend verschont bleiben können. Schließlich habe es die Beteiligte unterlassen, zumutbare Planungsalternativen zu prüfen.
Die Antragsteller beantragen:
I. Das Urteil des Landgerichts .... - Kammer für Baulandsachen - vom 30. Mai 2000 wird abgeändert.
II. Der Enteignungsbeschluss des Landratsamts Y-X vom 16. Mai 1995 wird aufgehoben.
hilfsweise:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, Ziff. D a) des Enteignungsbeschlusses vom 16. Mai 1995 dahin zu ändern, dass die von der Stadt X zu leistende Entschädigung für die enteignete Teilfläche auf 58.350 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von jährlich 2% über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit 11. Juli 1992 festgesetzt wird.
Der Antragsgegner und die Beteiligte treten der Berufung entgegen.
Die Beteiligte bestreitet einen Verstoß gegen das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs bei der Planung und weist darauf hin, dass die Wegefläche vollständig in das neu gebildete Straßengrundstück einbezogen worden sei.
Der Senat hat sich über die örtlichen Verhältnisse durch Einnahme eines Augenscheins informiert. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu Recht abgewiesen, denn der Enteignungsbeschluss des Landratsamts Y-X vom 16. Mai 1995 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Den Antragstellern steht daher weder ein Aufhebungsanspruch noch ein Ergänzungsanspruch im Sinn ihres Hilfsantrags zu.
Die Zurückweisung der Berufung erfolgt zunächst aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, denen sich der Senat anschließt (§ 543 ZPO) und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Hierzu ist Folgendes auszuführen:
1. Die Antragsteller können der Enteignung nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit eines Umlegungsverfahrens entgegentreten. Sie hatten unter den hier gegebenen Umständen, wo nur ein einziges Grundstück überhaupt Anlass zur Durchführung bodenordnender Maßnahmen gab, schon deshalb keinen Anspruch auf Durchführung dieses Verfahrens anstelle der Enteignung, weil dies der Beteiligten wegen des damit verbundenen unverhältnismäßigen Kostenaufwands nicht zugemutet werden konnte (vgl. BGH vom 19.12.1966 NJW 1967, 1566). Die in diesem Zusammenhang von den Antragstellern zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG Stuttgart vom 15.10.1985 NVwZ 1986, 335) erging zu einem hier nicht vergleichbaren Sachverhalt. Ein genereller Vorrang des Umlegungsverfahrens vor Durchführung von Enteignungsmaßnahmen besteht nicht (und wird auch in dieser Entscheidung nicht angenommen). Die Anordnung einer städtebaulichen Umlegung unterliegt vielmehr ihrerseits dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BGH vom 28.7.1988 Az. III ZR 47/87). Ob eine Enteignung gleichwohl möglich ist, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, wobei (nur) in der Regel einem Umlegungsverfahren der Vorzug einzuräumen ist (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, 2. Aufl. 1999, RdNr. 4 zu § 45 m.w.N.). Zu dem bereits von der Vorinstanz angestellten Kostenvergleich (ca. 196.000 DM Umlegungskosten gegenüber einer verlangten Entschädigung in Höhe von 58.349,50 DM) ist im Berufungsverfahren nichts Weiteres vorgebracht worden; dass die angenommenen Umlegungskosten unrealistisch oder grob fehlerhaft wären, ist nicht ersichtlich, sodass sich auch weitere Ermittlungen in dieser Richtung nicht aufdrängen.
Im Übrigen hätte auch die Durchführung eines Umlegungsverfahrens zu keinem für die Antragsteller günstigeren wirtschaftlichen Ergebnis geführt. Denn bei der geringen Größe des Einlagegrundstücks hätten die Antragsteller keinen Anspruch auf Zuteilung einer Bauparzelle gehabt - diese sind nach der Konzeption des Bebauungsplans durchwegs größer als 400 qm -, sondern nur gemäß § 59 Abs. 2 und Abs. 5 BauGB (hier anzuwenden i.d.F. der Bekanntmachung vom 8.12.1986, BGBl I S. 2253) einen Ausgleich in Geld oder Grundstücksflächen außerhalb des Bebauungsplangebiets beanspruchen können. Hierbei finden die Vorschriften des Baugesetzbuches über die Enteignungsentschädigung (§§ 93 ff. BauGB) entsprechende Anwendung. Die Antragsteller stünden somit auch in diesem Fall letztlich nicht besser da, als bei der tatsächlich durchgeführten Enteignung, weil ihr Einlagegrundstück im Ergebnis nicht anders zu bewerten gewesen wäre, als im Enteignungsverfahren. Dass für die Antragsteller eventuell tatsächlich die Möglichkeit bestanden hätte, eine Bauparzelle im Plangebiet durch Leistung einer - hier sehr erheblichen - Aufzahlung zu erwerben, ist für die Bewertung des Grundstücks ohne Belang; sie hätten zudem auf diese Lösung keinen Anspruch gehabt.
2. Die Antragsteller sehen einen Verstoß des Enteignungsbeschlusses gegen das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs auch darin, dass die auf der enteignungsbetroffenen Fläche verlaufende "F-Straße" nicht auf der Trasse eines früher bereits vorhandenen Wegegrundstücks (Fl.Nr...), sondern weiter südöstlich geführt worden ist, und erst durch diese Verschwenkung überhaupt eine Inanspruchnahme von in ihrem Eigentum stehenden Flächen notwendig wird. Zudem rügen sie die fehlende Prüfung planerischer Alternativen.
Hiermit werden zunächst Mängel des Bebauungsplans angesprochen, für die §§ 214, 215 BauGB gelten, die auch im Enteignungsverfahren Anwendung finden (vgl. Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, RdNr. 61 zu § 85; Berkemann in Schlichter/Stich, Berliner Kommentar zum BauGB, RdNr. 26 zu § 85, Reisnecker in Brügelmann, BauGB, RdNr. 13 zu § 85). Denn mit ihrer Rüge verneinen die Antragsteller die Notwendigkeit der Planung im Sinn von § 1 Abs. 3 BauGB. Zugleich stellen sie aber auch die Notwendigkeit der Enteignung zum Wohl der Allgemeinheit im Sinn von § 87 Abs.1 BauGB in Abrede. Dieser Gesichtspunkt ist unabhängig vom Eingreifen der §§ 214, 215 BauGB im Enteignungsverfahren zu prüfen. Denn auch wenn Mängel des Bebauungsplans nach §§ 214, 215 BauGB unbeachtlich sind oder nicht mehr geltend gemacht werden können, hat dies nicht zur Folge, dass die Voraussetzungen einer planakzessorischen Enteignung gemäß § 85 Abs. 1 BauGB damit automatisch gegeben sind. Im Rahmen des Bebauungsplanaufstellungsverfahrens sind enteignungsrechtliche Gesichtspunkte nicht zu prüfen; die Zulässigkeit einer evtl. späteren Enteignung auf der Grundlage des Bebauungsplans ist nicht Gegenstand der Abwägung, weil die gemeindlichen Planungsziele nicht auf eine anschließende Enteignung ausgerichtet sind (Berkemann a.a.O. RdNr. 33). Im Bebauungsplanverfahren hat demnach keine für das Enteignungsverfahren bindende Abschichtung der engeren enteignungsrechtlichen Prüfung stattgefunden (Runkel a.a.O. RdNr. 68). Bindungswirkung könnte allenfalls einer ergangenen Normenkontrollentscheidung über den der Enteignung zugrunde liegenden Bebauungsplan zukommen (Runkel a.a.O. RdNr. 67; Reisnecker a.a.O. RdNr. 11; Berkemann a.a.O. RdNr. 32). Eine derartige Entscheidung liegt hier nicht vor. Dem Enteignungsbetroffenen kann aber in einem der Umsetzung des Bebauungsplans dienenden Enteignungsverfahren regelmäßig kein Nachteil daraus erwachsen, dass er es unterlassen hat, zunächst gegen den Bebauungsplan im Wege eines Normenkontrollantrags vorzugehen, weil er zu einer solchen Vorgehensweise nicht verpflichtet ist. Er kann die Rechtswidrigkeit des Plans oder die planerische Erforderlichkeit der Enteignung auch erstmals in einem gegen den Enteignungsbeschluss gerichteten Rechtsschutzverfahren geltend machen (Runkel a.a.O. RdNr. 63).
Das Vorbringen erweist sich jedoch aus materiellen Gründen als nicht berechtigt. Hierzu hat der vom Senat durchgeführte Augenschein ergeben, dass eine weiter nordöstlich verlaufende Trassenführung, bei der das Grundstück der Antragsteller weitestgehend verschont geblieben wäre, tatsächlich schon deshalb kaum möglich ist, weil dort in einem deutlich ausgeprägten Geländeeinschnitt ein offener Graben (Vorflut) verläuft, in dem das Oberflächenwasser aus dem Baugebiet sowie aus dem Grenzbereich der Baugebiete "Am R" und "R II" abfließt. Die Ausformung dieses offenen Grabens beginnt unmittelbar unterhalb der Einmündung der Astraße in die Fstraße, bereits oberhalb dieser Einmündung gibt es jedoch feuchte Stellen mit Schichtwasser, das mittels eines Rohrdurchlasses unter der Astraße durchgeführt wird. Der Graben verläuft dann weiter hangabwärts an der Ostseite der Fstraße bis zur Gemeindeverbindungsstraße nach .... Zum Zeitpunkt des Augenscheins floss im Graben Wasser, wenn auch mit niedrigem Wasserstand. Die Antragsteller machen geltend, dass vor dem Ausbau der Fstraße und der Astraße das Hangwasser nicht unter der Astraße hindurch geführt wurde, sondern über diese hinweg in die unterhalb liegenden Wiesen floss, um dort zu versickern. Ein von den Antragstellern ü-bergebenes Lichtbild, das zu Beginn der Baumaßnahmen im Plangebiet gefertigt wurde, zeigt jedoch, dass der Graben bereits vor dem Ausbau vorhanden war. Er verlief unterhalb der Einmündung der Astraße auf der Westseite der seinerzeitigen schmalen Wegverbindung zur Z Straße (Fl.Nr. ...) in einem von Büschen und kleinen Bäumen umsäumten Streifen. Die Beteiligte hat unwidersprochen vorgetragen, das Wegegrundstück sei vollständig in das neu gebildete Straßengrundstück Fl.Nr. .... integriert worden, der Weg sei jedoch durchschnittlich nur 4 m breit gewesen. Ein Ausbau der Wegverbindung zur Erschließungsstraße unter ausschließlicher Inanspruchnahme des Wegegrundstücks schied damit erkennbar aus. Für den Straßenausbau stellte der vorhandene Graben jedoch ein erhebliches topographisches Hindernis dar, das nur mit unverhältnismäßig großem technischen - und finanziellem - Aufwand hätte überbaut werden können. Ohne Überbauung dieses Grabens rückt die Straßenanbindung an die Z Straße aufgrund des damit untrennbar bedingten, natürlich vorgegebenen Gradientenverlaufs der Erschließungsstraße und des Flächenbedarfs für die Straßenböschungen aber nahezu zwangsläufig weiter nach Osten in den Bereich des Grundstücks der Antragsteller hinein. Die einzige Alternative hierzu wäre eine deutlich nach Westen verschobene Trassenführung gewesen, die nachhaltig in Grundstücke anderer Eigentümer eingegriffen hätte und zudem mit dem Verkehrserschließungssystem des Baugebiets - die Astraße ist für den normalen Kraftverkehr gesperrt und wird nur von einer Buslinie benutzt - kaum in Einklang zu bringen gewesen wäre. Eine Trassenführung allein oder überwiegend auf dem Wegegrundstück Fl.Nr. ... verbot sich demnach sowohl mit Blick auf die Anbindung an das Verkehrserschließungssystem des Baugebiets als auch aus Gründen der Topographie. Die Antragsteller halten dem entgegen, die Topographie und die Grundstücksituation hätten einer für ihr Eigentum schonenderen Trassenführung nicht entgegengestanden, insbesondere hätte der beschriebene Graben unschwer im Rahmen einer alternativen Linienführung auf dem (neu gebildeten) städtischen Straßengrundstück Fl.Nr. ... entsprechend verlegt werden können. Diese Vorbringen entbehrt jedoch angesichts der beim Augenschein getroffenen Feststellungen einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage und ist nicht nachvollziehbar; dem insoweit von den Antragstellern gestellten Beweisantrag auf Erholung eines Sachverständigengutachtens muss deshalb nicht entsprochen werden. In Ermangelung realistischer Ansätze für eine andere, das Eigentum der Antragsteller weniger beanspruchende Planung begegnet es deshalb auch in rechtlicher Hinsicht keinen Beanstandungen, dass die Beteiligte ihre Prüfung planerischer Alternativen nicht weiter verfolgt hat.
Soweit die Antragsteller mit ihrem letzten Schriftsatz geltend machen, neben einer anderen, schonenderen Linienführung der Fstraße wäre unschwer die Anbindung des Baugebiets an das öffentliche Straßennetz über die Fortführung der Astraße möglich gewesen, gehen sie über den Hinweis auf mögliche, nicht geprüfte Planungsalternativen weit hinaus und stellen das der Planung zugrundeliegende Erschließungskonzept als solches in Frage. Hierbei handelt es sich um Grundzüge der Planung, denen die Antragsteller nicht mit dem Hinweis auf den größeren oder geringeren Eingriff in ihr Eigentum entgegentreten können.
3. Die Bewertung der enteigneten Fläche begegnet weder bezüglich der Qualität noch in Bezug auf die Höhe durchgreifenden Bedenken in rechtlicher Hinsicht. Bei der Bewertung solcher Flächen, die im Bebauungsplan als Erschließungsflächen ausgewiesen sind, ist zu beachten, dass deren Eigentümern gegenüber den übrigen Grundstückseigentümern im Plangebiet, die durch die Planung bebaubare Grundstücke erwerben, kein Sonderopfer auferlegt werden darf. Soweit eine zukünftige Bebauung der enteignungsbetroffenen Fläche durch die Festsetzungen des Bebauungsplans ausgeschlossen wird (Verkehrserschließungsfläche, öffentliche oder private Grünfläche), ist dies deshalb bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen, wenn dieser Fläche die Bestimmung nicht bloß "zufällig" zugewiesen worden ist, sondern sie bereits durch die besondere Grundstückssituation auf die im Bebauungsplan ausgewiesene Nutzung vorbereitet ist (BGH vom 15.11.1979 BGHZ 76, 274 [276 ff.]; vgl. hierzu auch BGH vom 6.9.1999 BGHZ 141, 319). Eventuelle negative Vorwirkungen der Festsetzungen eines Bebauungsplans sind demnach bei der Enteignungsentschädigung in aller Regel auszublenden. Dies führt im vorliegenden Fall jedoch nicht dazu, dass die Fläche als Rohbauland zu entschädigen wäre. Denn sie war zu keinem Zeitpunkt für eine bauliche Nutzung vorgesehen. Nach dem Flächennutzungsplan lag das Grundstück im Außenbereich außerhalb der Wohnbauflächen; in den Bebauungsplan "R II" wurde die enteignungsbetroffene Fläche nur zum Zweck der verkehrlichen Anbindung des Baugebiets an die weiter südlich verlaufende Z Straße einbezogen. Es spricht deshalb auch nichts dafür, sie an eventuellen Wertsteigerungen im Baugebiet teilhaben zu lassen; von ihrer Lage her war sie auf keinerlei bauliche Nutzung vorbereitet und ist nicht bloß zufällig als Erschließungsfläche festgesetzt worden. Die Bewertung durch den Gutachterausschuss erweist sich demnach als zutreffend.
Damit steht zugleich fest, dass der angegriffene Enteignungsbeschluss auch nicht etwa deshalb rechtswidrig ist, weil die Beteiligte sich gegenüber den Antragstellern nicht ernsthaft um einen freihändigen Erwerb der Enteignungsfläche zu angemessenen Bedingungen bemüht hätte. Denn der von der Beteiligten angebotene Kaufpreis stimmt mit dem Entschädigungssatz in Höhe von 57,50 DM pro qm überein. Er entspricht dem Verkehrswert im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Besitzübergangs aufgrund des vorangegangenen Besitzeinweisungsverfahrens (§ 93 Abs. 1, 2, 4 Satz 2, § 95 Abs. 1, § 194 BauGB), so dass auch der Hilfsantrag auf Zahlung weiterer 92,50 DM pro qm (insgesamt 35.982 DM) ohne Erfolg bleibt.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 221 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 221 Abs. 1 BauGB, §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Dem Antrags- und Berufungsgegner und der beteiligten Stadt X ist ein Auslagenersatz nicht zuzusprechen, weil beide weder förmliche Anträge in der Hauptsache noch Anträge auf Kostenentscheidung gemäß § 228 Abs. 2 BauGB gestellt haben.
Der gemäß § 221 Abs. 1 BauGB, § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzende Wert der Beschwer ist nach der Höhe der hilfsweise erstrebten Zusatz-Entschädigung zu bemessen; denn der Wert des Hilfsantrags (35.982 DM) ist höher als der objektive Wert der enteigneten Fläche (22.367,50 DM), der für die Bewertung des Hauptsache-Antrags heranzuziehen wäre (§ 6 ZPO; vgl. BGHZ 50,291/293).
Sinngemäß das Gleiche gilt auch für den Streitwert des Berufungsverfahrens (§ 19 Abs. 1 S. 3 GKG).
(Urteil des Oberlandesgericht Nürnberg
vom 19.12.2001, Az. 44 U 2656/00)