EUROPARECHT
EuGH: keine Reisefreiheit für Staatsoberhäupter
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Luxemburg (jur). Manche EU-Bürger sind doch etwas gleicher als andere. Und das kann auch mal zu ihrem Nachteil sein, wie am Dienstag, 16. Oktober 2012, der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg im Fall des früheren ungarischen Staatspräsidenten László Sólyom entschied (Az.: C-364/10). Er könne nicht wie andere Bürger volle Reisefreiheit in der EU beanspruchen.
Am 21. August 2009 sollte in der slowakischen Stadt Komárn eine Statue des Heiligen Stephan von Ungarn eingeweiht werden. Stephan sorgte für die Christianisierung der Magyaren und war ab dem Jahr 1000 erster König Ungarns. Heute ist er der Nationalheilige Ungarns, der dort mit einem Staatsfeiertag am 20. August geehrt wird.
Der 21. August ist in der Slowakei allerdings ein heikles Datum. Denn am 21. August 1968 bereiteten Truppen des Warschauer Pakts dem Prager Frühling und dem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ in der Republik Tschechoslowakei ein brutales Ende. An dem Einmarsch hatten sich fünf Staaten beteiligt, darunter auch Truppen Ungarns.
Die Einladung Sólyoms zur Einweihung der Stephan-Statue am 28. August 2009 durch einen slowakischen Verein löste daher rege diplomatische Aktivitäten aus. Schließlich verweigerte die Slowakei die Einreise. Der Präsident akzeptierte dies, Ungarn verklagte aber später die Slowakei vor dem EuGH: Die Slowakei habe die Freizügigkeitsrechte Sólyoms verletzt.
Der kann sich zwar als „EU-Bürger“ auf die Freizügigkeitsrechte der Europäischen Union berufen, bestätigten die Luxemburger Richter. Gleichzeitig gelte für einen Präsidenten aber auch das internationale Völkerrecht, das ebenfalls „Bestandteil der Rechtsordnung der Union und somit für deren Organe bindend ist“. Und danach sei die Einreise eines Staatspräsidenten in ein anderes Land durchaus nicht selbstverständlich. Das sei schon deshalb so, weil das Reiseland verpflichtet sei, für den Schutz des hohen Gastes zu sorgen.
Letztlich weise ein Staatsoberhaupt danach Besonderheiten auf, die es „von allen anderen Unionsbürgern abgrenzen“. Das Völkerrecht erlaube es, seine Freizügigkeit in der EU zu beschränken. Daher habe die Slowakei die Einreise verweigern dürfen, urteilte der EuGH.
Die Klage Ungarns war eine Besonderheit für den EuGH. Üblich werden sogenannte Vertragsverletzungsverfahren gegen EU-Länder nämlich durch die EU-Kommission eingeleitet. Hier hatte die Kommission dies aber abgelehnt und sich rechtlich auf die Seite der Slowakei gestellt. Vertragsverletzungsklagen direkt zwischen zwei Ländern hatte es zuvor in der gesamten Geschichte der EU nur fünfmal gegeben.
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