PRESSERECHT
Ex-Warburg-Bank-Chef muss Artikel mit seinen Tagebuchzitaten dulden
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Ex-Warburgbank-Chef muss Tagebuchveröffentlichungen dulden. © NMann77 -stock.adabe.com
Karlsruhe (jur). Aus dem von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten privaten Tagebüchern des früheren Chefs der Warburg Bank, Christian Olearius, sind durch die Beschlagnahme keine amtlichen Dokumente geworden, aus denen die die Presse nicht wörtlich zitieren darf. In einem am Dienstag, 16. Mai 2023, verkündeten Urteil billigte damit der Bundesgerichtshof (BGH) die wörtliche Wiedergabe einzelner Tagebuchauszüge in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung (Az.: VI ZR 116/22).
Stein des Anstoßes waren die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte von Banken und Anlegern. Dabei handelt es sich um einen Steuerbetrug im Umfeld der Dividendenausschüttung beim Aktienhandel. Mit Tricks hatten zahlreiche Banken und Anleger jahrelang sich vom Fiskus Kapitalertragssteuern erstatten lassen, obwohl ihnen diese nicht zustanden. Der Staat wurde so um Milliarden betrogen. Der BGH wertete die Cum-Ex-Geschäfte mit Aktien am 28. Juli 2021 als strafbare Steuerhinterziehung (Az.: 1 StR 519/20).
Im Zusammenhang mit den illegalen Aktienhandelsgeschäften ermittelte die Staatsanwaltschaft auch gegen den früheren Chef der Hamburger Warburg Bank, Christian Olearius. Dessen Tagebücher wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens 2018 beschlagnahmt.
Am 4. September 2020 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung auf ihrer Internetseite unter der Überschrift „Notizen aus der feinen Gesellschaft“ einen Artikel, der sich mit dem Verdacht beschäftigte, ob Hamburger Politiker die Finanzverwaltung dazu gedrängt haben, keine Steuerrückforderungen gegenüber der Warburg Bank zu stellen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich 2018 in seiner Funktion als Erster Bürgermeister von Hamburg mehrfach mit Olearius getroffen, was mit den Tagebüchern belegt werden konnte. Ob Scholz Einfluss auf die Finanzverwaltung genommen hat, soll ein Hamburger parlamentarischer Untersuchungsausschuss klären. Die Warburg Bank zahlte später 47 Millionen Euro an Steuern zurück, die sie im Zuge von Cum-Ex-Geschäften vom Fiskus erhalten hatte.
Olearius wehrte sich jedoch gerichtlich gegen die auszugsweise Veröffentlichung der beschlagnahmten Tagebücher durch die Süddeutsche Zeitung und klagte auf Unterlassung. Mit der Veröffentlichung der wörtlichen Zitate sei sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Die Süddeutsche habe damit auch verbotenerweise „amtliche Dokumente“ veröffentlicht und ihn bloßgestellt.
Doch der BGH urteilte, dass Olearius die Veröffentlichung dulden muss. Zwar dürften eine Anklageschrift oder andere „amtliche Dokumente“ ganz oder in Teilen nicht vor einer öffentlichen Verhandlung im Wortlaut „öffentlich mitgeteilt“ werden. Bei den Tagebüchern handele es sich aber um private Aufzeichnungen von Olearius. Nur weil sie beschlagnahmt wurden, seien daraus keine „amtlichen Dokumente“ geworden, betonte der BGH. Hätte der Gesetzgeber auch die Veröffentlichung von Dokumenten privater Urheber unter Strafe stellen wollen, hätte er dies klar zum Ausdruck bringen müssen.
Mit der Veröffentlichung der wörtlichen Zitate aus den Tagebüchern sei zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bankiers berührt. Die Veröffentlichung sei angesichts des „überragenden Informationsinteresses der Öffentlichkeit“ aber gerechtfertigt. Der Verlag der Süddeutschen Zeitung könne sich hier auf sein Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit berufen. Die Süddeutsche habe einen „Beitrag zum geistigen Meinungskampf“ geleistet, der auch Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses sei.
Der Wortlaut der Zitate habe in der Berichterstattung auch einen „besonderen Dokumentationswert“. Sie dienten dem Beleg und der Verstärkung der in dem Artikel enthaltenen Aussage, dass hochrangige Politiker wohl Einfluss auf die Finanzverwaltung genommen haben. Olearius müsse daher die Veröffentlichung hinnehmen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock