VERWALTUNGSRECHT
Freie Zeit ist auch in Bagdad und Kabul Freizeit
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Münster (jur). Auch in einer gefährdeten deutschen Botschaft, etwa in Bagdad oder Kabul, ist freie Zeit Freizeit. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster in einem am Montag, 7. September 2015, bekanntgegebenen Urteil betont (Az.: 1 A 421/14) Danach können dort eingesetzte Polizisten nicht geltend machen, sie hätten keine wirkliche Freizeit, weil sie das Botschaftsgelände nicht verlassen dürfen und ohnehin jederzeit mit einem Anschlag zu rechnen ist.
Zum Schutz deutscher Botschaften und deren Personal im Ausland werden Bundespolizisten vorübergehend ans Auswärtige Amt abgeordnet. Regulär angeordnete Überstunden wurden früher komplett durch Freizeit ausgeglichen, inzwischen höchstens 81 Stunden pro Monat. Nach ihrem in der Regel dreimonatigen Auslandseinsatz bekommen die Polizisten diesen Freizeitausgleich in Deutschland.
Geklagt hatten sieben Personenschützer, die zwischen 2010 und 2012 in Bagdad oder Kabul als Personenschützer eingesetzt waren. Sie machten geltend, sie hätten erheblich mehr Überstunden gemacht, als ihnen angerechnet wurden. Letztlich seien sie quasi durchgehend in Bereitschaft gewesen, weil sie jederzeit mit einem Anschlag rechnen mussten und das Botschaftsgebäude kaum verlassen durften.
Zugunsten der Personenschützer stellte das OVG Münster klar, dass reguläre Bereitschaftsdienste voll in den Freizeitausgleich eingehen.
Freie Zeit aber sei auch in Kabul und Bagdad Freizeit und daher nicht mehr auszugleichen. Statt einer eigenen Begründung verwies das OVG hier auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim vom 17. Juni 2014 (Az.: 4 S 169/13).
Der hatte die ähnliche Klage eines Polizeihauptkommissars abgewiesen, der 2011 als Personenschützer an die deutsche Botschaft in Bagdad abgeordnet war. Während knapp drei Monaten leistete er offiziell 344 Überstunden und 148 Bereitschaftsstunden. Er meint, es seien 1.023 Stunden mehr gewesen. Denn in jeder Botschaft gebe es einen Alarmplan, der die Personenschützer als Sicherheitskräfte einbeziehe. Dabei habe in Bagdad ständig eine Gefahrenlage bestanden.
Dennoch habe der Polizeihauptkommissar nicht ständig mit einem Einsatz rechnen müssen, befand der VGH Mannheim. Dass er das Botschaftsgelände nicht verlassen durfte, sei der Fürsorge des Dienstgebers geschuldet. Das bedeute aber nicht, dass er ständig für Dienste eingeplant und daher faktisch in Bereitschaft gewesen sei. Diesen Argumenten schloss sich nun auch das OVG Münster an.
Von 2010 bis 2012 wurde der Freizeitausgleich nicht vom Auswärtigen Amt, sondern direkt von der Bundespolizei gewährt. Daher erhielten die Polizisten in dieser Zeit auch keine Auslandszuschläge. Wie auch hier schon der VGH Mannheim entschied nun auch das OVG Münster, dass hierauf auch kein Anspruch bestand. Denn während des Freizeitausgleichs hielten sich die Beamten nicht mehr im Ausland auf, so das OVG in seinen insgesamt sieben Urteilen vom 24. August 2015.
Das OVG Münster ließ die Revision nur des Bundes in der Frage des Freizeitausgleichs für Bereitschaftsdienste zu. Gegen das Urteil des VGH Mannheim ist bereits eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.
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