ARBEITSRECHT
Gekündigter Kirchenorganist darf nicht zurück an die Orgel
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Karlsruhe (jur). Der wegen einer außerehelichen Beziehung gekündigte katholische Kirchenorganist Bernhard Schüth kann keine Wiederaufnahme seines Kündigungsschutzverfahrens verlangen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dies zu Recht wegen eines verpassten gesetzlichen Stichtages abgelehnt, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Dienstag, 17. Mai 2016, veröffentlichten Beschluss (Az.: 2 BvR 1488/14).
Schüth war in der katholischen St. Lambertus Gemeinde in Essen-Rellinghausen als Organist und Chorleiter angestellt. In seiner Ehe war der Kirchenmusiker nicht glücklich. Er ging eine außereheliche Beziehung ein. Als die Frau dann auch noch ein Kind von ihm erwartete, sah die katholische Kirche dies nicht mit ihren Grundsätzen zu vereinbaren. Sie kündigte dem Organisten im März 1998. Schüth selbst ließ sich wegen seiner gescheiterten Ehe im August 1998 scheiden.
Die Kündigung wollte er aber nicht hinnehmen. Seine Kündigungsschutzklage blieb jedoch vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Jahr 2000 ebenso wie eine spätere Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg.
Der Kirchenmusiker legte daraufhin vor dem EGMR Beschwerde ein. Er sah sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt. Die Straßburger Richter entschieden, dass die deutschen Gerichte das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nicht erkennbar mit Schüths Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens abgewogen hätten. Sie sprachen dem Organisten daher eine Entschädigung in Höhe von 40.000 Euro sowie weitere 7.600 Euro für angefallene Kosten zu (Az.: 1620/03, JurAgentur-Meldung zur Entschädigungshöhe vom 28. Juni 2012).
Mit diesem Erfolg in der Tasche verlangte Schüth die Wiederaufnahme seines Kündigungsschutzverfahrens. Er wollte in seiner Gemeinde wieder zurück an die Orgel.
Sowohl das LAG Düsseldorf (Az.: 7 Sa 1427/10, JurAgentur-Meldung vom 4. Mai 2011) als auch am 22. November 2012 das BAG lehnten dies aber ab (Az.: 2 AZR 570/11; JurAgentur-Meldung vom 23. November 2012).
Begründung: Das Gesetz sehe ein Wiederaufnahmeverfahren nach einem Erfolg vor dem EGMR zwar inzwischen vor – allerdings nur für Fälle, die ab dem 1. Januar 2007 rechtskräftig abgeschlossen wurden, so das BAG. In dem Verfahren des Organisten habe das LAG Düsseldorf jedoch schon lange vor 2007 ein rechtskräftiges Urteil verkündet. Die Frist verstößt nach Überzeugung des 2. BAG-Senats auch nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder das Grundgesetz. Denn der Gesetzgeber habe bei „Altfällen“ einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser sei hier nicht überschritten worden.
Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht nun allerdings nicht zur Entscheidung an. Das BAG habe zu recht wegen des verpassten gesetzlichen Stichtages die Wiederaufnahme des Kündigungsschutzverfahrens nicht zugelassen.
Dass die Berufsfreiheit des Kirchenmusikers damit eingeschränkt wird, sei gerechtfertigt. Der Gesetzgeber dürfe „zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage“ einführen, „auch wenn jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt“, so die 3. Kammer des Zweiten Senats in ihren Beschluss vom 20. April 2016. Hier sei der eingeführte Stichtag sachlich vertretbar und damit nicht zu beanstanden gewesen. Das gelte erst recht, weil der EGMR die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens gar nicht verlangt habe. Der Kirchenmusiker könne die Wiederaufnahme seines Kündigungsschutzverfahrens nicht verlangen.
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