VERKEHRSRECHT
Großveranstaltung: Straßenverkehrsrechtliche Gefährdungshaftung kann ausgeschlossen werden.
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Grundsätzlich besteht gemäß den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) eine Gefährdungshaftung des Halters eines jeden PKW. Diese Gefährdungshaftung greift im Verkehr, unter Vorbehalt der Ausschlussgründe des § 8 StVG, immer dann ein, wenn es auf öffentlichen Straßen gekracht hat und sorgt so für einen Ausgleichsanspruch des Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung den Schädiger gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 4 Versicherungsvertragsgesetz. Dies ist auch gut so, denn durch diese Normen wird in den meisten Fällen eine schnelle und unkomplizierte Klärung der Schadensersatzansprüche erzeugt.
Etwas anderes ergibt sich nach Ansicht des OLG Karlsruhe jedoch bei Fahrten auf geschlossenen, also nichtöffentlichen Strecken.
Zur Entscheidung lag dem Gericht folgender Sachverhalt vom 31.07.2011 vor:
Bei einem jährlich durchgeführten Veranstaltung - der Veranstalter spricht ausdrücklich nicht von einem Rennen, sondern einem Training „zur Optimierung des Fahrverhaltens bei gleichzeitiger Beachtung anderer Teilnehmer“ - auf dem Hockenheimring ereignete sich aufgrund überhöhter Geschwindigkeit sowie Vertrauen auf das eigene Fahrkönnen in einer Spitzkehre ein Unfall zwischen den Fahrern zweier Oberklassewagen. Während der Veranstalter im Vorfeld immer wieder darauf hingewiesen hatte, dass die Fahr- und Verhaltensregeln der StVO eingehalten werden sollen, überholte der Beklagte mit seinem Wagen den Kläger bei der Einfahrt auf die Spitzkehre auf der rechten Seite. Aufgrund der ebenfalls nach rechts abbiegenden Kehre befand sich das Beklagtenfahrzeug logischerweise in der Fahrspur des Klägers. Sowohl der Kläger als auch andere Zeugen beschrieben das Fahrverhalten des Beklagten als hirnrissig – denn nicht einmal geübten Rennfahrern sei ein solches Überholmanöver erlaubt. Genau aus diesem Grund sprach die Klägerseite auch von grober Fahrlässigkeit bis bedingtem Vorsatz.
Die Konsequenz dieser Situation musste zwangsweise folgen: Der Beklagte hatte auf der Innenseite einen vollkommen anderen Scheitelpunkt zum Durchfahren der Kehre, konnte aufgrund der Geschwindigkeit dem anderen Fahrzeug jedoch nicht mehr ausweichen und rammte den Kläger. Beide Wagen verkeilten sich und landeten schlussendlich in der Auslaufzone neben der Strecke.
Hätte sich dieser Unfall – unterstellt, dass es auf deutschen Straßen zweispurige Spitzkehren gäbe – im öffentlichen Verkehr ereignet wäre die Lage recht simpel: denn dem Kläger stünde unstreitig der eingangs erwähnte Anspruch gegen den Beklagten zu. Jedoch stand hier eine, vom Kläger ebenfalls vor Durchführung der Veranstaltung unterschriebener Haftungsbeschränkung entgegen. Grundsätzlich kann eine solche Beschränkung in Verträgen mit aufgenommen werden, die Vorschriften des StVG sind demnach also vertraglich abdingbar. Und genau gegen diese Haftungsbeschränkung richtete sich die Klage des Geschädigten. Er stützte sein Begehren auf zunächst auf die Unwirksamkeit der AGB-Klausel, hilfsweise sogar auf deren Gesamtnichtigkeit da er sie als „überraschend“ im Sinne des § 305c BGB empfand.
Das OLG Karlsruhe wies die Klage jedoch als unbegründet ab (Az.: 1 U 158/12). Es sah die Klausel aufgrund der grundsätzlich möglichen Abdingbarkeit weder als unwirksam an, noch war sie aus Sicht des Gerichts „überraschend“; vielmehr sei die Gestaltung und Formulierung der Klausel allgemein verständlich. Weiterhin bewertete es das Verhalten des Beklagten weder als grob fahrlässig und schon gar nicht bedingt vorsätzlich. Die Veranstaltung auf dem Hockenheimring sollte ja gerade der Erforschung und Optimierung des eigenen Fahrkönnens dienen. Außerdem könnten durch die Tatsache, dass mehrere Fahrer gleichzeitig auf der Strecke unterwegs seien, und allesamt genau diese Grenzen erforschen wollen, schon bei kleinsten Fahrfehlern Unfälle geschehen. Ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten könnte so nicht nachgewiesen werden.
Aufgrund dieses Sachverhalts lassen sich zweierlei Dinge festhalten:
Zum einen, dass die Vorschriften des StVG auf öffentlichen Strecken, wie im diesen Fall der extra für solche Veranstaltungen angelegten Rennstrecke, per Haftungsausschluss abdingbar sind. Dementsprechend sollte man bei solchen Events darauf achten, was genau man unterschreibt. Zum anderen, dass man nie vor den Fahrfehlern anderer gefeit sein kann. Im Ernstfall stehen wir Ihnen aber gerne mit Rat und Tat zur Seite. In diesem Sinne: Allzeit gute Fahrt!
Quelle: Experten-branchenbuch.de