VERKEHRSRECHT
Kein Fahrverbot für werdenden Vater
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Dies hat jetzt der 2. Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe entschieden und damit ein Urteil der Vorinstanz abgeändert:
Anfang März 2000 wurde dem Betroffenen, einem 33-jährigen Angestellten aus dem südbadischen Raum, von seiner im sechsten Monat schwangeren Ehefrau mitgeteilt, nach ihrem Gefühl hätten bereits die Wehen eingesetzt. Der Betroffene verließ daraufhin sein Büro, um auf Bitten seiner Ehefrau, die bereits bei ihrem ersten Kind eine komplizierte Frühgeburt erlebt hatte, mit seinem Fahrzeug unverzüglich nach Hause zu fahren. Auf der Fahrt überschritt er aus Unaufmerksamkeit die auf einer Landstraße in der Gemarkung Freiburg durch Verkehrszeichen angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h und befuhr diesen Bereich mit 122 km/h. Dabei geriet er in eine von der Polizei in Freiburg angeordnete Geschwindigkeitsmessung.
Die Bußgeldbehörde der Stadt Freiburg erließ daraufhin gegen den Angestellten einen Bußgeldbescheid in Höhe von DM 200 (weitere Folge: drei Punkte im Verkehrszentralregister in Flensburg) sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Nachdem der Betroffene hiergegen Einspruch eingelegt hatte, fand vor dem Amtsgericht Freiburg die Verhandlung statt. Wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften wurde der Betroffene zu einer Geldbuße von DM 200 verurteilt. Wie schon zuvor die Bußgeldbehörde ordnete auch das Amtsgericht ein einmonatiges Fahrverbot an. Der Betroffene habe - so das Amtsgericht - durch sein Fahrverhalten die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers grob verletzt, da er trotz der Mitteilung seiner Ehefrau sich auf die im Straßenverkehr geltenden Regeln habe konzentrieren müssen. Zu einem Absehen vom Fahrverbot, dessen Anordnung im Bußgeldkatalog bei Überschreitung einer Geschwindigkeit von 41 km/h und mehr außerhalb geschlossener Ortschaften im Regelfalle vorgesehen ist, bestehe deshalb kein Anlass.
Auf die vom Betroffenen gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsbeschwerde hat der
2. Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe das Urteil nunmehr abgeändert und von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen. Der Senat hat das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung nach § 25 Abs.1 StVG aus subjektiven Gründen verneint. Zwar handle es sich bei den in der Bußgeldkatalogverordnung aufgeführten und mit einem Fahrverbot sanktionierten Fällen um Regelbeispiele, welche besonders gravierende und gefahrträchtige Verhaltensweisen beschrieben. Ein solcher Regelfall sei aber zu verneinen, wenn die gesamten Tatumstände sich so weit vom Regelfall entfernten, dass die objektiv durchaus schwerwiegende Zuwiderhandlung nicht auch subjektiv in erhöhtem Maße vorwerfbar sei. Danach erscheine - so der Senat - der Verkehrsverstoß des Betroffenen in einem deutlich milderem Licht, da dieser nur aus Sorge um das Wohl seiner schwangeren und nach deren Mitteilung schon in den Wehen liegenden Ehefrau zu schnell gefahren sei.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 28. Dezember 2001, 2 Ss 33/01