MEDIENRECHT
Kein pauschales Verbot für unverpixelte Videos von Polizisten
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Kein pauschales Verbot für unverpixelte Videos von Polizisten © Symbolgrafik:© Dan Race - stock.adobe.com
Straßburg (jur). Deutsche Gerichte dürfen die Veröffentlichung unverpixelter Bilder von Polizisten nicht pauschal verbieten. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag, 31. Oktober 2023, in Straßburg entschieden (Az.: 9602/18). Er gab damit einer Beschwerde des Nachrichtenportals bild.de teilweise statt.
Im konkreten Fall war die Polizei 2013 zu einer Diskothek in Bremen gerufen worden, weil sich ein Gast aggressiv gegenüber dem Personal verhalte. bild.de berichtete über den Polizeieinsatz unter dem Titel „Hier prügelt die Polizei“. Verknüpft war der Bericht mit einem Video, auf dem zu sehen war, wie mehrere Polizeibeamte einen Mann zu Boden zwangen. Danach trat und schlug ein Polizist mit dem Schlagstock auf den am Boden liegenden Mann ein. Später ergänzte bild.de ein Video, das das aggressive Verhalten des Mannes vor dem Eintreffen der Polizisten zeigt.
Das Gesicht eines der Polizisten war in dem Video deutlich zu sehen. Dabei handelte es sich nicht um den später von bild.de als „Prügel-Cop“ bezeichneten Kollegen, und es gab auch sonst keine Hinweise, dass dieser Beamte übermäßige Gewalt angewandt hatte.
Das Landgericht Oldenburg ordnete an, dass bild.de das Video löschen oder das Gesicht dieses Polizisten unkenntlich machen muss. Das Oberlandesgericht Oldenburg und später auch das Bundesverfassungsgericht bestätigten diese Entscheidung.
Der EGMR betonte zunächst das öffentliche Interesse an den Maßnahmen der Polizei. Gleichzeitig könne die Veröffentlichung des Bildes eines Polizisten aber auch nachteilige Folgen für dessen Privatleben haben. Beides müsse gegeneinander abgewogen werden.
Bezogen auf die erste Veröffentlichung befand dabei nun auch der EGMR, dass das Verpixel-Gebot angemessen war. Allerdings sei die Anordnung des Landgerichts so zu lesen, dass sie auch für alle künftigen Veröffentlichungen dieses oder neuen Filmmaterials mit Polizisten galt.
Dies habe eine abschreckende Wirkung für die weitere Berichterstattung gehabt, betonten die Straßburger Richter. Der betreffende Polizist sei hier nicht negativ dargestellt, sein Bild sei aber im Zusammenhang mit einem berichtenswerten Vorfall gezeigt worden. Damit hätten sich die deutschen Gerichte nicht ausreichend auseinandergesetzt. „Dies könnte zu einem unzulässigen Verbot der künftigen Veröffentlichung von unbearbeiteten Bildern von Polizeibeamten bei der Ausübung ihres Dienstes ohne ihre Zustimmung führen.“
Im Ergebnis sei die einstweilige Verfügung in dieser Form „in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig gewesen“. Daher habe sie gegen die Meinungsfreiheit verstoßen.
Eine Entschädigung für bild.de setzte der EGMR nicht fest. Deutschland muss aber die Kosten und Auslagen für das Verfahren in Höhe von 12.000 Euro erstatten.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock