ARZTHAFTUNGSRECHT
Mehrfache Beauftragung eines Sachverständigen bei Schlichtung und vor Gericht
Autor: Laux Rechtsanwälte - Kanzlei
Ein Gutachter darf nicht Sachverständiger im Klageverfahren sein, wenn er schon zuvor bei der Schlichtungsstelle mit dem Fall befasst war.
Wenn ein Sachverständiger in einem Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle einer Landesärztkammer mitgewirkt hat, kann er im gerichtlichen Verfahren in derselben Sache abgelehnt werden. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) - (Beschluss vom 13. Dezember 2016 - BGH VI ZB 1/16).
Der Fall: Gericht wollte denselben Gutachter ein zweites Mal beauftragen
Das Krankenhaus der Beklagten behandelte den Kläger im Jahr 2011 wegen Dickdarmkrebs. Dieser wandte sich an die Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen, weil glaubte, fehlerhaft behandelt worden zu sein. Die Schlichtungsstelle benannte einen hochdotierten Mediziner, Prof. Dr. R., als Gutachter. Dieser sah keinen Behandlungsfehler. Das zweifelhafte Ergebnis machte die Schlichtungsstelle zur Grundlage ihrer Entscheidung.
Der Kläger rief das Landgericht Frankfurt am Main an, das im Klageverfahren Ende 2014 ein Sachverständigengutachten einholen wollte. Dabei wollte es sich wieder auf die Expertise des Prof. Dr. R. verlassen, der zuvor eben auch das Gutachten für die Schlichtungsstelle erstellt hatte. Damit war der Kläger nicht einverstanden und legte sofortige Beschwerde wegen der Befangenheit des vorbefassten Gutachters ein. Dieser könne nicht unparteiisch und unbefangen am Verfahren mitwirken.
Vorbefasstheit ist nicht gleich Befangenheit, aber auch ein "vorbefasster" Sachverständiger darf nicht zweimal begutachten
Im Beschwerdeverfahren machten sowohl das Landgericht Frankfurt am Main als auch das Oberlandesgericht Frankfurt Fehler. Die hessischen Richter wiesen die Beschwerden über den Beschluss zum zweiten Gutachtenauftrag ab und gaben insoweit der Beklagten Recht. Der BGH behandelte die Sache in der Rechtsbeschwerde anders: Zwar sei der Sachverständige nicht befangen gewesen, nach den gesetzlichen Bestimmungen könne er aber schon dann von einem Gerichtsverfahren ausgeschlossen werden, wenn er Gutachter bei „einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ (§ 406 Abs. 1, Satz 1, § 41 Nr. 8 Zivilprozessordnung) war.
Vertrauen in Schlichtung durch Mehrfachbegutachtung gestört
Nach Meinung des BGH spreche der Wortlaut des Gesetzes nicht gegen die Anwendung auf den vorliegenden Fall. Er meine sämtliche Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung und somit eben auch Schlichtungsverfahren bei den Landesärztekammern. Die außergerichtliche Konfliktbeilegung sei durch eine vertrauensvolle und offene Atmosphäre geprägt. Wenn jedoch die Parteien damit rechnen müssten, dass die Erkenntnisse und Eindrücke des Gutachters aus dem Schlichtungsverfahren auch in ein späteres Gerichtsverfahren einfließen könnten, sei die vermittelnde Grundstimmung der Schlichtung gestört. Deshalb sei im Ergebnis die Beschwerde des Klägers begründet.