ARZTHAFTUNGSRECHT
Patient erhält 75.000 € Schmerzensgeld aufgrund unzureichender Aufklärung
Autor: Laux Rechtsanwälte - Kanzlei
OLG Hamm, Urteil vom 15. Dezember 2017, Az: 26 U 3/14
Dem Arzt obliegt eine besondere Hinweispflicht zur dezidierten Aufklärung über alternative Behandlungsmethoden bei nur „relativ indizierten" - also vorteilhaft aber nicht zwingend notwendigen - Operationen.
Der Fall
Der Patient litt unter jahrelangen therapieresistenten Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich. 2010 stellte er sich dem beklagten Arzt vor, der dem Patienten nach drei Tagen medikamentöser Schmerzbehandlung die operative Versorgung seiner Beschwerden empfahl, obwohl der Patient nicht unter neurologischen Ausfallerscheinungen (z. B. Gangstörungen) litt. Hinweise über die Fortführung bzw. Durchführung konservativer Therapieansätze (Bettruhe, Krankengymnastik oder medikamentöse Behandlung) unterblieben und wurden dem Patienten nicht mitgeteilt. Nach dem operativen Eingriff stellten sich bei dem Patienten neben weiteren erheblichen Dauerschäden (Störung der Sexualfunktion u.a.) massive neurologische Ausfälle in beiden Beinen ein. Er war nicht mehr in der Lage, das gestreckte Bein anzuheben, zudem zeigten sich Lähmungen beim Heben und Senken der Füße, seine Mobilisation war nur noch mittels Gehilfen und Rollstuhl möglich.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm
Das Oberlandesgerichts Hamm verurteilte - anders als das Landesgericht Arnsberg - den Arzt neben Schadensersatz zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 75.000 €, weil er den Patienten vor dem operativen Eingriff unzureichend aufgeklärt hatte. Für den vorgenommenen operativen Eingriff habe mangels neurologischer Ausfallerscheinungen nur eine relative OP-Indikation bestanden. Alternativ hätte die medikamentöse Schmerzbehandlung als echte Behandlungsalternative mit guten Heilungschancen fortgesetzt werden können, da der hierfür gewählte zeitliche Ablauf von nur drei Tagen für einen erfolgversprechenden konservativen Therapieansatz viel zu kurz war. Mangels vollständiger Aufklärung fehlte es für die OP an einer wirksamen Einwilligung, die im Arzthaftungsrecht zu einem Behandlungsfehler führt und Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche auslöst.
Schlussbemerkung
Auch wenn wir das Schmerzensgeld für deutlich untersetzt halten, bestätigen die Richter am Oberlandesgericht Hamm mit ihrem Urteil einmal mehr, wie wichtig das Aufklärungsgespräch für Patient und Arzt ist. Obwohl der Gesetzgeber die Informationspflichten des Arztes mittlerweile gesetzlich geregelt hat, gehen Umsatz und Profit dem Schutz des Patienten vor. Deshalb raten wir allen Patienten vor einem operativen Eingriff bei Zweifeln einen anderen Arzt um eine Zweitmeinung zu bitten, soweit dies gesundheitlich möglich ist. Denn jeder Eingriff in den Körper ist mit Risiken verbunden und sollte gut überlegt sein. Klar ist auch, das dem Geschädigten das oben zugesprochene Schmerzensgeld und Schadensersatz bei den finanziellen Veränderungen im Beruf und Alltag helfen wird, die erlitten körperlichen Schäden verbleiben aber lebenslang und sind mit Geld nicht aufzuwiegen.