VERWALTUNGSRECHT
Verwaltungsgericht setzt Abschiebung nach Ungarn aus
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Saarlouis (jur). Immer mehr Verwaltungsgerichte lehnen eine Abschiebung von Flüchtlingen nach Ungarn ab. In einem am Montag, 24. August 2015, veröffentlichten Beschluss vom 7. August 2014 sieht auch das VG Saarlouis „systemische Mängel im ungarischen Asylsystem“, die einer Abschiebung entgegenstehen (Az.: 3 L 672/15). Die ungarische Regierung selbst schüre Fremdenfeindlichkeit, begründet das VG seine geänderte Rechtsprechung.
Nach EU-Recht („Dublin-II-Verordnung“) ist dasjenige Land für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig, in das Flüchtlinge als erstes eingereist sind. Deutschland schickt Flüchtlinge daher in der Regel in das betreffende Land zurück. Das ist nach EU-Recht allerdings unzulässig, wenn es in einem Land nicht nur vereinzelte, sondern „systemische Mängel“ und Menschenrechtsverstöße bei der Behandlung von Flüchtlingen gibt.
Insbesondere für Griechenland und auch Ungarn gibt es seit einiger Zeit Bedenken, ob Flüchtlinge dort entsprechend den europäischen Standards behandelt werden. Mehrere Verwaltungsgerichte haben daher bereits Abschiebungen ausgesetzt.
In Ungarn hatte es schon 2012 deutliche Mängel im Asylsystem gegeben (so VG Stuttgart, Beschluss vom 14. August 2012; JurAgentur-Meldung vom 12. Oktober 2012), danach hatte sich die Situation zunächst aber wieder verbessert. 2014 ging das VG Stuttgart jedoch erneut von „systemischen Mängeln“ aus (Beschluss vom 26. Juni 2014, JurAgentur-Meldung vom 14. Juli 2014), am 15. Januar 2015 folgte das VG Berlin (Az.: 23 L 899.14; JurAgentur-Meldung vom 19. Januar 2015). Mehrere VGs haben in jüngster Zeit aber auch noch gegenteilig entschieden.
Auch die 3. Kammer des VG Saarlouis hatte zuletzt noch am 15. Juni 2015 die gegenteilige Meinung vertreten, gab diese Rechtsprechung nun aber auf. Mit Blick auf die derzeitigen Verhältnisse in Ungarn sei die Abschiebung unzulässig, und Deutschland müsse das Asylverfahren selbst durchführen.
Im konkreten Fall habe Ungarn zwar noch am 27.Mai 2015 erklärt, der Flüchtling könne zurückkommen. Am 23. Juni 2015 habe aber die ungarische Regierung erklärt, das Land nehme keine Flüchtlinge nach der Dublin-II-Verordnung mehr auf, weil die Kapazitäten erschöpft seien. Einen Tag später habe zwar das Außenministerium dies zurückgenommen. Gerade diese Widersprüche begründeten aber „durchgreifende Zweifel“ an der Zuverlässigkeit Ungarns bei der Behandlung von Flüchtlingen.
Zudem habe Ungarn seit Juli 2015 die Asyl-Bedingungen drastisch verschärft. So würden Asylanträge annulliert, wenn sich Asylbewerber länger als 48 Stunden von ihrer Unterkunft entfernen. Insgesamt entspreche die derzeitige Lage wieder der von 2012, befand das VG.
Nach Angaben von amnesty international werde ein erneuter Asylantrag nach der Rücküberstellung in Ungarn als Folgeantrag gewertet. Nach Angaben des Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen würden Rückkehrer sofort in Abschiebehaft genommen. Die Sprecherin des Flüchtlingskommissars habe gerügt, dass in Ungarn nicht – wie in anderen Ländern – kleine Gruppen Fremdenfeindlichkeit schürten, sondern die Regierung selbst.
Das VG Saarlouis teile die Sorge des Flüchtlingskommissars, „dass durch die Aktionen und Äußerungen der rechtsnationalen Regierung Ungarns ein Klima geschaffen wird, das die ohnehin angespannte Lage der Flüchtlinge in Ungarn weiter drastisch verschlechtert“, heißt es in dem aktuellen Beschluss.
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