STEUERRECHT
Arzt ohne Arzttätigkeit macht aus Gemeinschaftspraxis Gewerbebetrieb
Experten-Branchenbuch.de,
zuletzt bearbeitet am:
Neustadt/Weinstraße (jur). In einer Arzt- oder Zahnarzt-Gemeinschaftspraxis sollten wirklich auch alle Mediziner ausreichend ärztliche Leistungen erbringen. Behandelt ein Zahnarzt und Gesellschafter der Praxis dagegen kaum noch Patienten und ist er stattdessen vielmehr für die Praxisorganisation zuständig, kann die Gemeinschaftspraxis als Gewerbebetrieb eingestuft werden, urteilte am Dienstag, 12. April 2022, das Finanzgericht Neustadt an der Weinstraße (Az.: 4 K 1270/19). Dann müssten auch auf die gesamten Praxiseinkünfte Gewerbesteuer gezahlt werden, so die Finanzrichter, die allerdings die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) in München zuließen.
Im konkreten Fall ging es um eine Gemeinschaftspraxis von Zahnärzten in Rheinhessen. Die Praxis war als sogenannte Partnerschaftsgesellschaft organisiert. Die Zahnärzte behandelten Kassen- und Privatpatienten. Im Streitjahr erzielte die Praxis Umsatzerlöse von rund 3,5 Millionen Euro. Nur rund 900 Euro entfielen auf einen sogenannten Seniorpartner. Dieser Zahnarzt war hauptsächlich für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Gemeinschaftspraxis zuständig.
Als das Finanzamt eine Betriebsprüfung durchführte, meinte die Behörde, dass die Einkünfte der Gemeinschaftspraxis nicht mehr als freiberuflich, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einzustufen seien. Denn in einer freiberuflichen Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft müsse jeder Gesellschafter die Merkmale selbstständiger Arbeit in eigener Person erfüllen.
Dem folgte nun auch das Finanzgericht. Bei einer Gemeinschaftspraxis müsse jeder Gesellschafter „in eigener Person die Hauptmerkmale des freien Berufs erfüllen“. Die persönliche Berufsqualifikation allein reiche nicht. Die freiberufliche Tätigkeit müsse auch tatsächlich ausgeübt werden. Eine besonders intensive leitende Tätigkeit könne dies nicht ersetzen. Denn der Arzt schulde eine „höchstpersönliche und individuelle Arbeitsleistung am Patienten“ und müsse daher einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistung selbst erbringen, betonte das Finanzgericht.
Zwar sei eine gewisse Arbeitsteilung oder „Teamarbeit“ unschädlich. So könne ein Arzt sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vorbehalten oder auch ärztliche Behandlungsleistungen an angestellte Ärzte delegieren. Erforderlich sei aber, dass jeder Gesellschafter kraft seiner persönlichen Berufsqualifikation als Arzt sich an der „Teamarbeit“ im „arzttypischen Heilbereich“ auch beteiligt.
Übernehme er fast nur kaufmännische Leitungs- oder sonstige Managementaufgaben, sei er nicht freiberuflich, sondern gewerblich tätig. Dies führe dazu, dass die gesamte Tätigkeit der Gemeinschaftspraxis als gewerblich anzusehen sei. „Die Tätigkeit des gewerblich tätigen Arztes ‚infiziere‘ die Tätigkeit der freiberuflichen Ärzte“, so das Finanzgericht.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock