STEUERRECHT
FG Neustadt/Weinstraße kritisiert Berechnung der „Grundsteuerwerte“
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FG Neustadt/Weinstraße kritisiert Berechnung der „Grundsteuerwerte“ © Symbolgrafik:© Marco2811 - stock.adobe.com
Neustadt/Weinstraße (jur). Bei der derzeitigen Neuordnung der Grundsteuer müssen Grundstücksbesitzer Einwände gegen den für sie berechneten Grundsteuerwert erheben und einen geringeren Wert nachweisen können. Das hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz in Neustadt an der Weinstraße in zwei am Montag, 27. November 2023, bekanntgegebenen Eilbeschlüssen gefordert (Az.: 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23).
Die Grundsteuer setzt bislang bundesweit an sogenannten „Einheitswerten“ aus dem Jahr 1964 an, in den ostdeutschen Bundesländern sogar an Werten aus dem Jahr 1935. 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht dies als gleichheitswidrig verworfen, weil die Uraltdaten den tatsächlichen Wert der Häuser und Wohnungen nicht mehr widerspiegelten (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 10. April 2018, Az.: 1 BvL 11/14).
Im Zuge der dadurch notwendigen Neuordnung wurden für die einzelnen Grundstücke neue „Grundsteuerwerte“ ermittelt. Auf deren Basis soll dann ab 2025 die neue Grundsteuer erhoben werden. Deren individuelle Höhe steht bislang noch nicht fest. Die Neuberechnung soll aber insgesamt aufkommensneutral bleiben.
In den Streitfällen wollten die Antragsteller die konkreten Steuerbescheide nicht abwarten. Mit ihren Klagen und Eilanträgen ginge sie bereits gegen die für sie jeweils festgesetzten Grundsteuerwerte vor. Diese seien überhöht.
Die erste Klägerin argumentierte, ihr Haus aus dem Jahr 1880 sei seit Jahrzehnte nicht mehr renoviert worden und habe sogar noch einfachverglaste Fenster. Die Kläger im zweiten Fall verwiesen darauf, dass ihr Grundstück in der zweiten Reihe liege. Es sei nur über einen Privatweg erreichbar und zudem wegen einer besonderen Hanglage nur eingeschränkt nutzbar.
Das FG Neustadt setzte nun in beiden Fällen die Vollziehung des jeweiligen Grundsteuerwertbescheids aus. Dies bedeutet, dass jedenfalls bis zu einer Entscheidung im Hauptverfahren die festgesetzten Grundsteuerwerte nicht zur Berechnung der Steuer herangezogen werden dürfen. Nach Angaben des FG handelt es sich um die bundesweit ersten erfolgreichen Verfahren gegen Grundsteuerwertbescheide. Es ließ daher wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zu.
Zur Begründung äußerte das FG „ernstliche Bedenken bezüglich der gesetzlich geforderten Unabhängigkeit der rheinland-pfälzischen Gutachterausschüsse“. Auch sei die Datengrundlage, aufgrund derer die Ausschüsse die Werte ermittelt haben, unzureichend.
Auch äußerte das FG Zweifel, ob die nun ermittelten Werte „tatsächlich bestehende Wertunterschiede angemessen abbilden“ und damit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot gerecht werden. Denn eine „große Zahl gesetzlicher Typisierungen und Pauschalierungen“ führe zu einer „nahezu vollständige Vernachlässigung aller individuellen Umstände“. Die Regelungen des in Rheinland-Pfalz und zehn weiteren Bundesländern angewandten „Bundesmodells“ führten zu einer „systematischen Unterbewertungen hochwertiger Immobilien“ und umgekehrt zu einer Überbewertung von Immobilien in weniger begehrten Lagen oder in schlechtem Zustand.
Vor diesem Hintergrund müssten Grundstückseigentümer zumindest „die Möglichkeit haben, einen unter dem typisierten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachweisen zu können“, forderte das FG Neustadt in seinen Eilbeschlüssen vom 23. November 2023.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock