ARZTHAFTUNGSRECHT
Arzthaftung: Kann ein Sachverständiger nach seinem Gutachten im Schlichtungsverfahren im Klageverfahren noch einmal als Sachverständiger beteiligt werden?
Autor: Laux Rechtsanwälte - Kanzlei
Sachverständigen-Unwesen, hier mal unter dem Motto: Noch einmal, weil es so schön war? Nein, der der Sachverständige, der bei der Schlichtungsstelle den Fall begutachtete, darf nicht noch einmal der Sachverständige im Klageverfahren sein.
Sachverständige im gerichtlichen Verfahren können abgelehnt werden, wenn sie in derselben Sache bereits in einem Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle einer Landesärztekammer als Sachverständiger mitgewirkt haben.
Der Fall: Gericht wollte noch einmal denselben Gutachter beauftragen
Im Jahr 2011 wurde der Kläger wegen Dickdarmkrebs im Krankenhaus der Beklagten behandelt. Mit der Behauptung fehlerhafter Behandlung wandte er sich an die Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen. Die Schlichtungsstelle beauftragte einen hochdotierten Mediziner, Prof. Dr. R., mit der Begutachtung. Der kam zu dem zweifelhaften Ergebnis, dass kein Behandlungsfehler vorliege: Dieser Einschätzung schloss sich die Schlichtungsstelle bequemerweise und gern an.
Der Kläger gab nicht auf und zog vor Gericht
Im Klageverfahren Ende 2014 sollte ein Gutachten zur Frage nach Behandlungsfehlern eingeholt werden. Das zuständige Gericht bestimmte wiederum jenen Prof. Dr. R., der ja bereits das Gutachten für die Schlichtungsstelle erstellt hatte, zum Sachverständigen. Der Kläger war damit nicht einverstanden und monierte Befangenheit, da der vorbefasste Prof. Dr. R. nicht unvoreingenommen und neutral gegenüber stehe.
Befangenheit ist zwar etwas anderes als Vorbefasstheit, aber der vorbefasste Gutachter darf nicht noch einmal ran
Das Landgericht im Klageverfahren und auch das Oberlandesgericht im Berufungsverfahren machten einen entscheidenden Fehler. Die Richter dort sahen keine Problem mit diesem zweiten Gutachtenauftrag und gaben dem Kläger nicht Recht. Der Bundesgerichtshof (BGH) sah das aber ganz anders. Der BGH begründete zwar seine Entscheidung nicht mit der Befangenheit des Sachverständigen. Vielmehr könne ein Sachverständiger nach den gesetzlichen Bestimmungen bereits dann von einem gerichtlichen Verfahren ausgeschlossen werden, wenn er an „einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ (§ 406 Abs. 1, Satz 1, § 41 Nr. 8 Zivilprozessordnung) beteiligt war (Beschluss vom 13. Dezember 2016 - BGH VI ZB 1/16 -].
Klares Statement des BGH: Der vorbefasste Sachverständige verhindert offene und vertrauensvolle Atmosphäre
Der Wortlaut des Gesetzes spreche aus Sicht des BGH nicht gegen eine Anwendung auf den vorliegenden Fall. Er umfasse sämtliche Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung und damit auch Verfahren vor den Schlichtungsstellen der Landesärztekammern. Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung zeichneten sich durch eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre aus. Diese positive Grundsituation sieht der BGH aber gefährdet, wenn die Beteiligten befürchten müssten, dass der Sachverständige seine im Schlichtungsverfahren gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse in das spätere gerichtliche Verfahren transportiert.