VERFASSUNGSRECHT
BVerfG: Richter im "Kopftuch-Verfahren" für befangen erklärt
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Karlsruhe (jur). Maßstab für die Befangenheit eines Richters ist nicht zwingend dessen objektive Parteilichkeit. Es reicht aus, wenn Verfahrensbeteiligte vernünftige Zweifel an der Unvoreingenommenheit habe können, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag, 13. März 2014, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10). Es schloss damit den Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, von der Beteiligung an dem Verfahren über das Kopftuchverbot in Nordrhein-Westfalen aus.
Nordrhein-Westfalen hat Lehrerinnen und anderen Beschäftigten das Tragen eines Kopftuchs an den staatlichen Schulen verboten. Das Bundesarbeitsgericht hatte sogar eine als Ersatz getragene Baskenmütze als danach verbotene „religiöse Bekundung“ gewertet (Urteil vom 20. August 2009, Az.: 2 AZR 499/08). Eine Lehrerin, die wegen ihres Kopftuchs entlassen und eine Sozialpädagogin, die wegen ihrer Wollmütze abgemahnt wurde, legten Verfassungsbeschwerden ein.
Das Bundesverfassungsgericht hat hierüber noch nicht entschieden. Wegen Besorgnis der Befangenheit“ schloss es zunächst seinen Vizepräsidenten Ferdinand Kirchhof von der Mitwirkung in dem Verfahren aus. Denn ihm komme „gleichsam eine Art Urheberschaft“ für die rechtliche Ausgestaltung des Kopftuchverbots zu.
Kirchhof war als Hochschullehrer an den Gesetzesformulierungen für das Kopftuchverbot in Nordrhein-Westfalen und auch für vergleichbare Gesetze in Baden-Württemberg und Hessen beteiligt. Er hatte den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts deshalb selbst um eine Entscheidung über seine Befangenheit gebeten. Aber auch die Beschwerdeführerinnen hatten Bedenken geäußert.
Laut Gesetz ist ein Richter des Bundesverfassungsgerichts automatisch von einem Verfahren ausgeschlossen, wenn er „in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist“. Dies treffe hier nicht zu, entschied das Bundesverfassungsgericht. Die Formulierung sei „strikt verfahrensbezogen“ zu verstehen, hier also mit Blick auf die angegriffenen Entscheidungen der Arbeitsgerichte. An diesen habe Kirchhof aber nicht mitgewirkt.
Nach einer weiteren Gesetzesvorschrift kann ein Verfassungsrichter aber auch vom Bundesverfassungsgericht selbst von einem Verfahren ausgeschlossen werden, wenn „Besorgnis der Befangenheit“ besteht. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit seinem Beschluss vom 26. Februar 2014 hier nun einstimmig getan.
Dabei komme es „nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich ‚parteilich’ oder ‚befangen’ ist, oder ob er sich selbst für befangen hält“, betonten die Karlsruher Richter. „Entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.“
Dies treffe hier zu. Kirchhof habe nicht nur an dem Gesetz mitgewirkt. Diese Mitwirkung als Hochschullehrer und Verfassungsrechtler habe quasi eine „Gewährfunktion für die Verfassungsmäßigkeit der Regelung“ gehabt.
Für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden gegen das Kopftuchverbot in Nordrhein-Westfalen wird als Ersatz für Kirchhof nun ein Verfassungsrichter des Zweiten Senats per Los bestimmt.
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