VERFASSUNGSRECHT
Umwidmung von Corona-Mitteln für Klimafonds verfassungswidrig
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Umwidmung von Corona-Mitteln für Klimafonds verfassungswidrig © Symbolgrafik:© U. J. Alexander - stock.adobe.com
Karlsruhe (jur). Dem Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung fehlen 60 Milliarden Euro. Die Umwidmung der ursprünglich zur Bewältigung der Coronapandemie vorgesehenen Kreditermächtigung verstößt gegen die haushaltsrechtlichen Grundsätze des Grundgesetzes und ist damit nichtig, urteilte am Mittwoch, 15. November 2023, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Az.: 2 BvF 1/22). Generell erschwerten die Karlsruher Richter es damit, die Ausgaben für jahresübergreifende Zukunftsausgaben in einem Sondervermögen zu bündeln.
Wegen der Corona-Pandemie war die Schuldenbremse vorläufig außer Kraft gesetzt worden. Der Haushalt für 2021 sah zur Bewältigung der Krise 180 Milliarden Euro vor. Im ersten Nachtragshaushalt 2021 wurde die Kreditermächtigung noch einmal um 60 Milliarden Euro aufgestockt. Dieses zusätzliche Geld wurde dann aber doch nicht gebraucht. Die Möglichkeit, Kredite in solcher Höhe aufzunehmen, wurde daraufhin am 25. Februar 2022 im zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 rückwirkend auf den Energie- und Klimafonds übertragen. Dieser wurde so von 42,6 Milliarden Euro auf 102,6 Milliarden Euro erhöht.
Dieses Sondervermögen heißt inzwischen Klima- und Transformationsfonds. Mit dem Geld sollten Modernisierungspläne ohne eine auf die kommenden Jahreshaushalte bezogene zusätzliche Neuverschuldung finanziert werden. Dabei geht es beispielsweise um die Sanierung von Gebäuden, die Digitalisierung, den Umbau hin zu grüner Energieversorgung und Elektromobilität sowie die kürzlich beschlossenen Hilfen bei den Stromkosten, insbesondere für energieintensive Unternehmen.
197 Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU-Fraktion klagten vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Umwidmung der Mittel. Die Bundesregierung habe die Schuldenbremse unzulässig umgangen. Einen Eilantrag hatte das Bundesverfassungsgericht noch abgewiesen (Beschluss vom 22. November 2022, Az.: 2 BvF 1/22; JurAgentur-Meldung vom 8. Dezember 2022).
Im Hauptverfahren gab das Bundesverfassungsgericht dem Normenkontrollantrag der Unionsabgeordneten nun aber statt. Das zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Zunächst rügten die Karlsruher Richter einen Verstoß gegen die Regeln der Schuldenbremse. Diese lasse zwar Ausnahmen zu, Bundesregierung und Bundestag hätten dabei auch einen gewissen Spielraum. Aus diesem Spielraum ergebe sich umgekehrt aber die Pflicht, eine „notlagenbedingte Kreditaufnahme“ gut zu begründen. Die Begründung zum zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 gehe aber unzureichend darauf ein, warum das Geld zur Bewältigung der Coronapandemie nun doch nicht mehr gebraucht wurde und für welche Projekte es nun konkret ausgegeben werden soll.
Der zweite Verstoß bezieht sich auf das „Prinzip der Jährlichkeit“. Dieses besagt, dass der „Stammhaushalt“ und Nachtragshaushalte sich auf ein bestimmtes Haushaltsjahr beziehen müssen. „Eine Umgehung dieser Grundsätze durch den Einsatz von Sondervermögen ist nicht zulässig“, betonte bei der Urteilsverkündung die Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Doris König. Der Klima- und Transformationsfonds solle aber Ausgaben mehrerer kommender Jahre abdecken.
Als Drittes rügte das Bundesverfassungsgericht, dass das zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 rückwirkend Anfang 2022 verabschiedet wurde. Dies verstoße gegen den Haushaltsgrundsatz der Vorherigkeit. „Ein nach Ablauf seiner Geltungsdauer im Folgejahr beschlossener Nachtragshaushalt ist kein zulässiges und zielführendes Instrument mehr, um den abgeschlossenen Haushaltsvollzug im Nachhinein zu verändern“, sagte König laut Manuskript. „Ausgaben können rückwirkend nicht mehr getätigt, Verpflichtungen rückwirkend nicht mehr eingegangen werden.“
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock