ERBRECHT
Digitalen Nachlass der Kinder können Eltern erben
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Karlsruhe (jur). Facebook muss Eltern Zugriff auf das Facebook-Konto ihres verstorbenen Kindes geben. Als Erben haben sie grundsätzlich Anspruch auf den digitalen Nachlass ihres Kindes, entschied am Donnerstag, 12. Juli 2018, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem Grundsatzurteil (Az.: III ZR 183/17). Es gebe keinen Grund, die Inhalte des Facebook-Kontos nicht zu vererben, schriftliche Tagebücher und persönliche Briefe aber schon, so die Karlsruher Richter.
Hintergrund des Rechtsstreits war der Tod eines 15-jährigen Mädchens im Jahr 2012, welches in einem Berliner U-Bahnhof von einem Zug erfasst wurde. Die Todesumstände sind bislang unklar. Die Eltern vermuteten einen Suizid.
Facebook verwies auf den Datenschutz
Um Klarheit über die Todesumstände zu erhalten und Schadenersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abwehren zu können, wollten sie Zugang zu dem Facebook-Account ihrer Tochter erhalten. Sie wollten prüfen, ob ihre Tochter in Chat-Nachrichten an Facebook-Freunde über Probleme oder erlittenes Mobbing berichtet und sich so ein Suizid angekündigt hat.
Doch als die Eltern sich in das Facebook-Konto ihrer Tochter einloggen wollten, hatten sie nur noch Zugriff auf ihr öffentliche Profil. Facebook hatte das Konto in einen sogenannten „Gedenkzustand“ gesetzt, bei dem private Chat-Nachrichten nicht mehr abgerufen werden können.
Das Unternehmen verwies auf den Datenschutz. Denn dritte Personen, die mit der Tochter kommuniziert haben, hätten Anspruch darauf, dass die Chat-Gespräche privat bleiben.
Schutz der privaten Kommunikation zwischen der Verstorbenen und dem Chat-Partner
Ohne Erfolg wiesen die Eltern darauf hin, dass sie doch die Erben ihrer Tochter seien.
Das Kammergericht Berlin urteilte am 31. Mai 2017, dass Facebook den Eltern keinen Zugriff auf das Facebook-Konto der verstorbenen Tochter geben muss (Az.: 21 U 9/16; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Facebook sei verpflichtet, das im Grundgesetz verankerte Fernmeldegeheimnis zu achten. Dazu gehöre auch, dass die private Kommunikation zwischen der Verstorbenen und dritten Personen – hier der Chat-Partner - geschützt wird.
Die Einsicht in das Facebook-Konto könne auch nicht mit dem Recht der Eltern auf „elterliche Sorge“ abgeleitet werden. Denn dieses Recht erlösche mit dem Tod des Kindes.
Eltern steht der volle Zugang zu dem Facebook-Konto zu
Der BGH hob dieses Urteil auf und gab den Eltern recht. Ihnen stehe der volle Zugang zu dem Facebook-Konto ihrer Tochter zu. Maßgeblich sei der zwischen der Tochter und Facebook geschlossene Nutzungsvertrag. Zwar könne die Vererblichkeit des digitalen Nachlasses vertraglich ausgeschlossen werden. Dies sei hier aber nicht geschehen.
Die Facebook-Nachrichten seien zudem „kontobezogen“ und hätten nicht zum Inhalt, dass diese nur an eine bestimmte Person übermittelt werden. So müssten auch zu Lebzeiten Chat-Partner damit rechnen, dass andere Personen ihre Nachrichten lesen, indem diese sich missbräuchlich Zugang zu dem Konto verschafft haben.
Kein Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis
Ein „schutzwürdiges Vertrauen“, dass die Nachrichten privat bleiben, gebe es daher nicht. Ein Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis liege nicht vor.
Der Anspruch auf das digitale Erbe verstoße auch nicht gegen die Datenschutzgrundverordnung. Diese schütze nur lebende Personen. Die Eltern hätten als Erben zudem ein „berechtigtes Interesse“ auf Zugriff zum Facebook-Konto ihrer Tochter.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage