ARBEITSRECHT
Genaue Begründung der Unwürdigkeit einer Anwältin
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Karlsruhe (jur). Beleidigt eine Rechtsreferendarin während ihrer Ausbildung einen ausbildenden Staatsanwalt, ist sie deswegen später nicht automatisch unwürdig für den Rechtsanwaltsberuf. Wird die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verweigert, muss schon genau begründet werden, warum auch künftig ein die „funktionierende Rechtspflege“ beeinträchtigendes Verhalten zu erwarten ist, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Freitag, 17. November 2017, veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvR 1822/16). Anderenfalls werde das Grundrecht auf Freiheit der Berufswahl verletzt.
Im konkreten Fall war eine 35-jährige Rechtsreferendarin im September 2010 im Rahmen ihrer Einzelausbildung in Strafsachen mit dem ausbildenden Staatsanwalt fachlich und persönlich mehrfach aneinandergeraten. Der Staatsanwalt gab ihr schließlich im Stationszeugnis die Note „befriedigend“.
Die Rechtsreferendarin hielt dies für fehlerhaft und vermutete, dass die Note Ausdruck einer Benachteiligung wegen ihres Migrationshintergrunds sei. Im Februar 2011 machte sie sich ihren Ärger mit einer E-Mail an den Staatsanwalt Luft.
Sie schrieb: „Sie sind ein provinzieller Staatsanwalt, der nie aus dem Kaff rausgekommen ist, in dem er versauert. Ihr Weltbild entspricht dem des typischen deutschen Staatsbürgers von 1940. Mit Ihrem Leben und Ihrer Person sind Sie so zufrieden, wie das Loch vom Plumpsklo. (…) Als Sie mich vor sich hatten, sind Sie von Neid fast verblasst. Ich konnte Ihren Hass geradezu sinnlich wahrnehmen. Am liebsten hätten Sie mich vergast, aber das ist ja heute out.“
In dem daraufhin erfolgten Ermittlungsverfahren teilte die Frau auch gegenüber der zuständigen Oberstaatsanwältin aus: „Ich bestaune die Praxis der Staatsanwaltschaft (…), Rechtsbrüche zu verfolgen, ohne sich selber an das Recht zu halten. Sollte das eine Frage der inneren Einstellung sein, gehören Sie nicht in den Justizdienst. Sollte das intellektuell bedingt sein, so besuchen Sie doch noch einmal eine Grundstudiumsvorlesung.“
Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Im April 2013 wurde die Rechtsreferendarin schließlich vom Amtsgericht wegen Beleidigung des Staatsanwalts zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt. Doch das Urteil hatte weitere Folgen.
Als die Frau im August 2014 nach Bestehen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragte, lehnte die Rechtsanwaltskammer Köln dies ab. Die Frau habe sich eines Verhaltens schuldig gemacht, das sie unwürdig erscheinen lasse, den Beruf einer Rechtsanwältin ordnungsgemäß auszuüben. Der Anwaltsgerichtshof hielt diese Entscheidung für richtig (Urteil vom 30. Oktober 2015, Az.: 1 AGH 25/15; JurAgentur-Meldung vom 12. April 2016). Der Bundesgerichtshof lehnte die Zulassung der Revision ab.
Doch damit wurde die Juristin in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt, entschied das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2017. „Ein Bewerber kann nicht allein deswegen als unwürdig angesehen werden, weil sein Verhalten im beruflichen Umfeld oder im gesellschaftlichen Bereich auf Missfallen stößt“, so die Verfassungsrichter. Erforderlich sei vielmehr, dass das Fehlverhalten geeignet ist, „die Integrität der Rechtsanwaltschaft im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege zu beeinträchtigen“.
Fehlende Unrechteinsicht
Hier durfte zwar der Beschwerdeführerin ihre fehlende Unrechtseinsicht vorgeworfen und entgegengehalten werden. Allerdings habe der Anwaltsgerichtshof nicht eine Prognose aufgestellt, warum die Beschwerdeführerin künftig „im Falle ihrer Zulassung als Rechtsanwältin in einer Art und Weise auftreten würde, die das Vertrauen in die Integrität der Rechtsanwaltschaft insbesondere im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege beeinträchtigen könnte“.
Allein die vorgenommene Würdigung der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin und die nicht näher begründete Schlussfolgerung, dass sie für den Anwaltsberuf nicht tragbar sei, würden dem nicht gerecht. Der Anwaltsgerichtshof muss nun neu über den Fall entscheiden.
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