STRAFRECHT
Trennscheiben bei Verteidigerbesuchen im Strafvollzug bei Gefahr von Geiselnahmen
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Ist der Einsatz von Trennscheiben bei Verteidigerbesuchen im Strafvollzug bei Gefahr von Geiselnahmen zulässig?
Diese Frage will der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe bejahen und hat die Sache zur grundsätzlichen Klärung der Rechtsfrage dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
Der 32jährige Gefangene verbüßt nach einem verübten Banküberfall eine mehrjährige Freiheitsstrafe wegen räuberischer Erpressung in der Vollzugsanstalt Bruchsal. Aufgrund der bestehenden Gefahr, der Gefangene werde sich durch eine Geiselnahme aus der Haftanstalt freipressen, hat die Vollzugsanstalt bei ihm besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet. Unter anderem hat sie festgelegt, dass der Gefangene von seinem Verteidiger nur im Trennscheibenraum besucht werden darf. Seinen hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies die Strafvollstreckungskammer am 11.12.2002 zurück, da sie die von der Justizvollzugsanstalt getroffene Anordnung des Einsatzes einer Trennscheibe für rechtmäßig hielt.
Ebenso nun der 1. Strafsenat auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Gefangenen, da der Einsatz einer Trennscheibe zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Justizvollzugsanstalt nach § 4 Abs.2 Satz 2 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) unerlässlich sei. An einer Verwerfung der Rechtsbeschwerde sah sich der Senat jedoch gehindert, weil der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 17.02.1981 - 5 AR 43/80 - grundsätzlich ausgesprochen hatte, dass der Einsatz von Trennscheiben bei Verteidigerbesuchen nur im Falle des Vorwurfs terroristischer Straftaten nach § 129 a StGB zulässig sei.
Nach Ansicht des Senates ist der vorliegende Sachverhalt mit jener Fallgestaltung jedoch nicht vergleichbar. Jener Entscheidung lag nämlich ein Fall zugrunde, in welchem die Befürchtung bestand, der Besuch des Verteidigers könne von diesem zur unzulässigen Übergabe von Schriftsätzen oder anderen Gegenständen missbraucht werden. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 148 Abs.2 StPO ist aber eine Beschränkung des freien Verkehrs des Verteidigers mit dem Strafgefangenen nur im Falle der Inhaftierung wegen einer Straftat nach § 129 a StGB zulässig. Hier richte sich - so der Senat - die beschränkende Maßnahme aber nicht gegen den Verkehr zwischen Verteidiger und Gefangenen, sondern schütze jenen, indem sie wirksam einen Angriff auf das Leben und den Körper des Verteidigers und damit auch auf die Sicherheit und Ordnung in der Vollzugsanstalt verhindere.
Zur Klärung der Rechtfrage hat der Senat dem Bundesgerichtshof daher folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Darf die Vollzugsbehörde die Anordnung eines Trennscheibeneinsatzes bei einem Verteidigerbesuch auf § 4 Abs. 2 Satz 2 StVollzG stützen, um der konkreten, anderweitig nicht ausschließbaren Gefahr zu begegnen, dass der Strafgefangene seinen Verteidiger zwecks Freipressung als Geisel nimmt ?
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 12. August 2003 - 1 Ws 14/03 -
Hinweis auf den Gesetzestext:
§ 4 StVollzG
....
Abs. 2
Der Gefangene unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner
Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihm nur
Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur
Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung in der Anstalt unerlässlich
sind
§ 148 StPO
Abs.1
Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und
mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet.
Abs.2
Befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß und ist Gegenstand der Untersuchung
eine Straftat nach § 129 a StGB, so sind Schriftstücke und andere Gegenstände
zurückzuweisen, sofern sich der Absender nicht damit einverstanden erklärt, dass
sie zunächst einem Richter vorgelegt werden. Das gleiche gilt unter den Voraus-
setzungen des Satzes 1 für den schriftliche Verkehr des Gefangenen mit seinem
Verteidiger in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren. Ist der schriftliche
Verkehr nach Satz 1 und 2 zu überwachen, so sind für das Gespräch zwischen dem
Beschuldigten und dem Verteidiger Vorrichtungen vorzusehen, die die Übergabe von
Schriftstücken oder anderen Gegenständen ausschließen.