INGENIEURVERTRAGSRECHT
BGH schützt Architekten und Ingenieure
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Karlsruhe (jur). Architekten und Ingenieure können in Altfällen weiterhin nach Ihrer früheren Honorarordnung abrechnen. Zwischen Privatpersonen ist diese weiterhin anwendbar, urteilte am Donnerstag, 2. Juni 2022, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Az.: VII ZR 174/19). Er setzte damit die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg um.
Die „Honoraranordnung für Architekten und Ingenieure“ (HOAI) ist eine Verordnung des Bundes. Bis Ende 2020 legte sie Mindest- und Höchstpreise für die Leistungen aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung und Bauwesen fest; bei den Ingenieuren gab es Ausnahmebereiche.
Darin sah die EU-Kommission einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit in der EU und leitete 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren ein.
Deutschland rechtfertigte die Preisvorgaben mit den Besonderheiten des deutschen Marktes. Es gebe eine Vielzahl kleiner und mittlerer Anbieter, denen oft starke Bauunternehmen gegenüberstünden. Die HOAI stelle auskömmliche Einnahmen auch kleiner Dienstleister sicher und gleichzeitig eine hohe Qualität der Leistungen.
Mit Urteil vom 4. Juli 2019 erkannte der EuGH an, dass dies die Mindestpreise rechtfertigen kann; die Höchstpreise seien aber unverhältnismäßig (Az.: C-377/17; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag).
Mit Wirkung zum Jahresbeginn 2021 wurde die HOAI angepasst. Sie sieht nun einen Basissatz und einen oberen Honorarsatz vor, die aber nur noch als Orientierung dienen. Die Honorare können auch abweichend frei vereinbart werden. Wurde kein Honorar vereinbart, gilt allerdings der Basissatz, der dem früheren Mindestsatz entspricht.
Im Streit um die Zwischenzeit gab der EuGH am 18. Januar 2022 grünes Licht für die weitere Anwendung der alten HOAI auf Privatpersonen. (Az.: C-261/20; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag).
In dem nun vom BGH entschiedenen Fall hatten Bauträger und Ingenieurbüro ein Pauschalhonorar in Höhe von 55.025 Euro vereinbart. Das Ingenieurbüro kündigte allerdings diesen Vertrag und rechnete nach den Mindestsätzen der HOAI 102.935 Euro brutto ab.
Wie schon die Vorinstanzen urteilte nun der BGH, dass der Bauträger 100.108 Euro bezahlen muss. Der Einwand, die alte HOAI verstoße gegen EU-Recht, greife nach der Rechtsprechung des EuGH bei Privatpersonen nicht.
Da die alte HOAI aus 2013 aber gegen EU-Recht verstieß, kann nach der Rechtsprechung des EuGH die durch ein entsprechendes Urteil geschädigte Partei aber gegebenenfalls Schadenersatz vom Bund verlangen. Über einen solchen Fall hatte der BGH aber nicht zu entscheiden.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock