SOZIALRECHT
Auch bei früheren Rauchern kann Krebs eine Berufskrankheit sein
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Auch bei früheren Rauchern kann Krebs eine Berufskrankheit sein © Symbolgrafik:© blende11.photo - stock.adobe.com
Kassel (jur). Auch bei früheren Rauchern kann Krebs eine Berufskrankheit sein. Liegt der Nikotinkonsum schon mehr als zehn Jahre zurück, kann er als möglich Krankheitsursache gegebenenfalls sogar ganz zu vernachlässigen sein, wie aus einem [am Mittwoch, 27. September 2023, verkündeten] Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel hervorgeht (Az.: B 2 U 8/21 R). Wurde für einen Stoff keine Mindestbelastung festgelegt, dann gilt dieser laut BSG auch in kleineren Mengen als geeignet, eine Berufskrankheit zu verursachen.
Der 1956 geborene Kläger hatte lange Jahre geraucht, hatte dies aber im Jahr 2000 aufgegeben. Von 1998 bis 2013 war er als Schweißer beschäftigt. Zur Rissprüfung von Schweißnähten verwendete er Farbstoff-Sprays mit dem heute als hoch krebserregend geltenden und daher verbotenen aromatischen Amin o-Toluidin.
2014 wurde bei dem Kläger Harnblasenkrebs diagnostiziert. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Feststellung einer Berufskrankheit ab. Der langjährige Nikotinkonsum des Klägers habe zu einer Verdoppelung des Erkrankungsrisikos geführt.
Generell müssen für die Anerkennung einer Berufskrankheit die beruflichen Belastungen die wahrscheinliche Ursache sein. Daher muss immer der mögliche Einfluss anderer Ursachen abgegrenzt werden. Gleiches gilt für die Möglichkeit einer von den beruflichen Belastungen unabhängigen „schicksalhaften“ Erkrankung.
Gestützt auf ein Gutachten hatten im Streitfall die Vorinstanzen festgestellt, dass der Nikotinkonsum 14 Jahre vor der Krebsdiagnose hierfür keine wesentliche Ursache mehr gewesen sein kann. Wie schon die Vorinstanzen stellte daher nun auch das BSG fest, das Rauchen sei „nicht mehr hinreichend wahrscheinlich eine Ursache der Krebserkrankung“ gewesen. Andere Ursachen, etwa bestimmte Medikamente oder chronische Harnwegsinfekte, hatte der Gutachter ebenfalls ausgeschlossen.
Ergänzend betonte nun das BSG, dass die Berufskrankheiten-Verordnung für Krebs durch Amin o-Toluidin keine „Mindestexposition“ festlegt. Der Kläger sei dem Stoff über die Atemluft und über die Haut ausgesetzt gewesen. Auf eine Diskussion über den Umfang dieser Belastung ließen sich die Kasseler Richter aber nicht ein. Ohne eine in der Berufskrankheiten-Verordnung genannte Schwelle sei der Stoff vielmehr „abstrakt geeignet, eine Berufskrankheit zu verursachen“. Da andere Ursachen hier ausschieden, müsse die Berufsgenossenschaft eine Berufskrankheit anerkennen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock