SOZIALRECHT
Geringere Arznei-Zuzahlungen für Heimbewohner mit Hilfe zur Pflege
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Geringere Arznei-Zuzahlungen für Heimbewohner mit Hilfe zur Pflege © Symbolgrafik:© M. Schuppich - stock.adobe.com
Karlsruhe (jur). Heimbewohner, die Sozialhilfeleistungen zur Deckung der Heimkosten erhalten, profitieren generell von geringeren Zuzahlungen zu Arzneimitteln und anderen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Freitag, 3. November 2023, veröffentlichten Beschluss klargestellt (Az.: 1 BvR 422/23). Die entsprechende Gesetzesregelung ist danach nicht auf Hilfe zum Lebensunterhalt begrenzt, sondern umfasst insbesondere auch Empfänger von Hilfe zur Pflege.
Damit gab das Bundesverfassungsgericht der Beschwerde einer heute 85-jährigen Frau aus Niedersachsen statt. Sie bezieht eine Rente von monatlich 1.100 Euro, so dass sie nicht auf Sozialhilfe zum Lebensunterhalt angewiesen ist. Für die Heimkosten reicht die Rente allerdings nicht aus. Den Rest übernimmt daher die Sozialhilfe als „Hilfe zur Pflege“. Der Heimbewohnerin verbleiben eine Bekleidungspauschale und ein Taschengeld, zusammen 143,92 Euro im Monat.
Angesichts dieser Summe beantragte sie bei ihrer Krankenkasse eine Begrenzung ihrer Zuzahlungen, wie sie Versicherte üblich für Arzneimittel und andere Kassenleistungen bezahlen müssen. Die Belastungsgrenze liegt in der Regel bei zwei Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen, bei chronisch Kranken, wie hier auch die Heimbewohnerin, bei einem Prozent.
Für die Berechnung der Belastungsgrenze zog die Krankenkasse die Höhe der Rente der Heimbewohnerin heran und setzte sie auf 132 Euro im Jahr fest.
Die Frau meinte, sie müsse von einer gesetzlichen Vergünstigung profitieren. Diese gilt für Versicherte, „bei denen die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen werden“. Für diese Personen wird zur Berechnung der Belastungsgrenze der Sozialhilfe-Regelsatz für Alleinstehende herangezogen. Im Streitjahr 2022 waren dies 449 Euro (2023 502, 2024 563 Euro). Im Streitjahr 2022 hätte die Heimbewohnerin dann nur Zuzahlungen in Höhe von 53,51 Euro leisten müssen (entsprechend für chronisch Kranke 2023 60,24, 2024 67,56 Euro).
Ihre Klage hatte vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht allerdings keinen Erfolg. Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 22. September 2023 hob das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidungen auf und gab der Heimbewohnerin inhaltlich recht. Formal muss allerdings das Sozialgericht Osnabrück nochmals neu entscheiden.
Zur Begründung erklärten die Karlsruher Richter, die hier streitige Bestimmung enthalte keinerlei Beschränkung hinsichtlich der Art der Sozialhilfeleistung. Eine Begrenzung auf die Hilfe zum Lebensunterhalt „widerspricht auch offensichtlich der gesetzgeberischen Konzeption“. Denn eine vorausgehende Gesetzesklausel bestimme unabhängig von einem Heimaufenthalt, dass sich für Empfänger der Hilfe zum Lebensunterhalt die Belastungsgrenze generell nach dem Regelsatz für Alleinstehende berechnet.
Auf die Hilfe zum Lebensunterhalt begrenzt bliebe der nachfolgenden Klausel für Heimbewohner daher gar kein Anwendungsbereich mehr, argumentierte das Bundesverfassungsgericht. Der Gesetzgeber habe hier offensichtlich auch alle anderen auf Sozialhilfeleistungen angewiesene Heimbewohner begünstigen wollen, weil ihnen für den über Unterkunft und Verpflegung hinausgehenden Lebensunterhalt nur ein Taschengeld und die Bekleidungspauschale verbleiben.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock