ASYLRECHT
Flüchtlingsschutz wegen Genitalverstümmelung gestärkt
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Flüchtlingsschutz wegen Genitalverstümmelung gestärkt © Symbolgrafik:© magele-picture - stock.adobe.com
Freiburg (jur). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) darf nicht davon ausgehen, dass Eltern aus Nigeria ihre Töchter vor einer Genitalverstümmelung schützen. Ist dies nicht ausreichend sicher, hat das Kind Anspruch auf subsidiären Schutz, wie das Verwaltungsgericht Freiburg in einem am Dienstag, 6. Juni 2023, veröffentlichten Urteil entschied (Az.: A 4 K 1443/21). Dass die Eltern eine Genitalverstümmelung ablehnen, reiche dabei nicht aus.
Die Klägerin ist Tochter nigerianischer Eltern und wurde 2019 in Deutschland geborenen. Das BAMF lehnte 2021 Ihren Asylantrag ab und stellte die Pflicht zur Ausreise fest. Abschiebungshindernisse bestünden nicht.
Dagegen wehrt sich die Klägerin unter anderem mit einem Hinweis auf das Risiko einer Genitalverstümmelung. Ihre Mutter habe eine solche erlitten. Insbesondere in deren Familie habe dies auch „einen großen Stellenwert“.
Diese Sorge ist begründet, das BAMF muss dem Mädchen daher die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen, urteilte nun das Verwaltungsgericht Freiburg.
Die weibliche Genitalverstümmelung sei eine geschlechtsbezogene Verfolgung und zudem auch eine „extreme physische Gewalt“, die nach dem Asylgesetz als Verfolgung einzustufen sei. Zwar sei dies in Nigeria verboten, doch der Staat sei nicht in der Lage, wirksamen Schutz zu bieten und gehe offenbar auch nicht aktiv dagegen vor. Die Verbreitung sei in den verschiedenen Regionen Nigerias verschieden.
Hier zeigte sich das Verwaltungsgericht überzeugt, dass dem Mädchen „mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ eine Genitalverstümmelung droht. Diese werde in beiden Familien der Eltern praktiziert. Bei einer Rückkehr würden und müssten sich die Eltern aber aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen in den Kreis ihrer Großfamilien begeben.
Hier hätten die Eltern zwar angegeben, gegen die Genitalverstümmelung zu sein. Dies sei aber wenig gefestigt. Jedenfalls sei nicht ausreichend sicher davon auszugehen, dass die Eltern dem zu erwartenden Druck ihrer Familien standhalten werden, heißt es in dem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 19. Januar 2023.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock