ASYLRECHT
Kopftuchverweigerung noch kein Asylgrund für Iranerinnen
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Kopftuchverweigerung noch kein Asylgrund für Iranerinnen © Symbolgrafik:© magele-picture - stock.adobe.com
Schleswig (jur). Allein die Weigerung, ein Kopftuch zu tragen, führt für Frauen aus dem Iran noch nicht zu einem Anspruch auf Asyl. Dieser besteht nur, wenn „westliche“ Werte und Lebensstil als „identitätsprägendes Bekenntnis“ der Frau angesehen werden können, entschied das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig in zwei am Montag bekanntgegebenen Urteilen (Az.: 2 LB 8/22 und 2 LB 9/22). Angehörige der Ahwazi sind nach einem weiteren Urteil im Iran keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt, Menschenrechtler dieser Gruppe können aber Anspruch auf Asyl haben (Az.: 2 LB 7/22).
Die zwei klagenden Frauen hatten beide argumentiert, dass sie kein Kopftuch tragen wollen und hier in Deutschland einen „westlichen Lebensstil“ führen. Erstmals seit der im September 2022 erstarkten Frauen-Protestbewegung im Iran entschied hierzu nun das OVG Schleswig, dass dies noch nicht zu einem Asylanspruch führt. Eine Verfolgung sei deswegen noch nicht mit der hierfür „erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten. Dies gelte auch für eine illegale Ausreise aus dem Iran, einen Asylantrag und einen längeren Aufenthalt im westlichen Ausland sowie die bloße Teilnahme an Demonstrationen in Deutschland oder eine „reine Formalkonversion zum Christentum“.
Deswegen blieb die zweite Klägerin vor dem OVG ohne Erfolg. Dagegen gaben die Schleswiger Richter der ersten Klage statt. Sie seien überzeugt, dass hier „ein identitätsprägendes Bekenntnis zu ‚westlichen‘ Werten besteht“. Für die Iranerin sei es daher nicht zumutbar, sich den „diesen Werten widersprechenden Vorschriften des iranischen Staates (zu) unterwerfen“. Auch habe die erste Klägerin sich schon im Iran aktiv für Frauenrechte engagiert und sich dann auch in Deutschland „hervorgehoben exilpolitisch betätigt“. Ein Foto, das sie bei einer Demonstration zum Jahrestag des Todes von Jina Mahsa Amini zeige, sei mit ihrem Namen in einer namhaften überregionalen Tageszeitung veröffentlicht worden und im Internet leicht auffindbar.
Ebenfalls Erfolg hatte ein Angehöriger der Ahwazi. Dies ist eine arabische Bevölkerungsgruppe, zu der im Iran etwa vier Millionen Menschen zählen. Allerdings entschied das OVG, dass Ahwazi sich bei einem Asylantrag nicht auf eine sogenannte Gruppenverfolgung berufen können. Für sie bestünden im Iran zwar „zahlreiche faktische Diskriminierungen und Einschränkungen“, diese würden aber „eine verfolgungsrelevante Schwelle nicht überschreiten“. Im konkreten Fall habe sich der Kläger aber aktiv für die Menschenrechte der Ahwazi eingesetzt und sei auch mit seinem Namen im Internet genannt. Dies könne der Iran als regimekritisch bewerten, so dass der Kläger Anspruch auf Flüchtlingsschutz habe.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock