STEUERRECHT
Gewinnzuschlag auf später versteuerte Veräußerungsgewinne rechtmäßig
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Münster (jur). Der steuerliche Zuschlag bei einer erst nachträglichen Versteuerung bestimmter Veräußerungsgewinne ist verfassungsgemäß. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster in einem am Montag, 17. Oktober 2022, bekanntgegebenen Urteil zum sogenannten Gewinnzuschlag auf Veräußerungsgewinne bei Grundstücken, Immobilien und Schiffen entschieden (Az.: 7 K 3764/19 E). Anders als bei dem 2021 vom Bundesverfassungsgericht als zu hoch verworfenen Säumniszuschlag für verspätete Steuerzahler greife der Vorwurf einer verfassungswidrigen Höhe hier nicht.
Beim Verkauf von Wirtschaftsgütern entstehen häufig sogenannte Veräußerungsgewinne, weil das Gut mehr wert ist als der Betrag, mit dem es in den Büchern geführt wurde. Für Grund und Boden, Gebäude und Schiffe bietet die Abgabenordnung zwei Möglichkeiten, die Versteuerung solcher Veräußerungsgewinne zu verschieben oder auf mehrere Jahre zu verteilen.
So können Steuerpflichtige eine Rücklage bis zur Höhe des Veräußerungsgewinns bilden und diese über die nachfolgenden vier Jahre auflösen. Das Finanzamt versteuert dann allerdings nicht nur den aufgelösten Gewinn, sondern erhöht diesen um sechs Prozent pro Wirtschaftsjahr seit Bildung der Rücklage.
Der Kläger ist Landwirt. 2011 verkaufte er einen Teil seiner Agrarflächen an die Stadt, die dort eine Sportanlage erweitern wollte. Wegen des neuen Verwendungszwecks war der Preis deutlich höher als bislang für die Agrarflächen geschätzt. Der Landwirt bildete eine Rücklage in Höhe von gut 66.000 Euro und löste diese stufenweise in den Folgejahren auf.
Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben schlug das Finanzamt bei der Steuerfestsetzung auf den Veräußerungsgewinn jeweils sechs Prozent je Wirtschaftsjahr auf.
Das sei zu viel, meinte der Landwirt. Zur Begründung verwies er auf die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Säumniszuschlag von früher ebenfalls sechs Prozent jährlich für verspätete Steuerzahler. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Bedenken bestätigt. Es entschied am 8. Juli 2021, dass der Säumniszuschlag angesichts der über Jahre anhaltenden Niedrigzinsen zu hoch ist (Az.: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17; JurAgentur-Meldung vom 18. August 2021). Eine Neuregelung forderten die Karlsruher Richter allerdings erst ab 2019. Für die Zeit ab diesem Jahr wurde der Säumniszuschlag inzwischen auf 1,8 Prozent pro Jahr gesenkt.
Doch die Säumniszuschläge und der hier angegriffene Gewinnzuschlag seien nicht vergleichbar, urteilte nun das FG Münster. Denn der Gewinnzuschlag solle nicht nur Zinsvorteile ausgleichen, „sondern darüber hinaus der missbräuchlichen Inanspruchnahme der Rücklagenbildung entgegenwirken“. Denn durch die Rücklage und deren schrittweise Auflösung könnten Steuerpflichtige sogenannte Progressionsvorteile erzielen, also eine geringere Steuerlast durch eine geringere Steuerprogression. Daher stehe dem Gesetzgeber hier ein deutlich größerer Spielraum zu. Zudem könne jeder Steuerpflichtige entscheiden, ob er für seine Veräußerungsgewinne zunächst eine Rücklage bilden will.
Gegen dieses auch bereits schriftlich veröffentlichten Urteil vom 24. August 2022 ließ das FG Münster wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) in München zu.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock