WERBERECHT
Ist das wirklich noch „Bio“?
Autor: ROSE & PARTNER - Rechtsanwälte Steuerberater - Kanzlei
Nachgewiesene Rückstände von Pflanzenschutzmittel auf der Weinrebe eines Ökobauern sind für die Bezeichnung als Bio-Wein nicht hinderlich. Das entschieden die Richter am Verwaltungsgericht Koblenz in ihrem Urteil vom 15. März 2017.
Ökokontrollstelle versagt Werbung mit Biosiegel
Die Klägerin in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht betreibt als Weinbaugesellschaft ein ökologisch/biologisches Weingut in Rheinland-Pfalz. Zu der ökologischen Anbauweise gehört unter anderem auch der Verzicht auf bestimmte Pflanzenschutzmittel nach den Vorgaben des staatlichen Bio-Siegels.
Nach einer Untersuchung der zuständigen Ökokontrollstelle wurden allerdings Rückstände auf den Blättern der Weinpflanzen der Klägerin festgestellt. Nach einer Analyse der Rückstände wurde festgestellt, dass es sich dabei um, in der ökologischen Landwirtschaft nicht zugelassene, Pflanzenschutzmittel handelt. Das Land Rheinland-Pfalz hatte in der Folge eine Vermarktung des Weines als Bio-Wein nicht zugelassen.
Konventionelle Nachbarschaft ist ursächlich
Die Klägerin führte dagegen aus, dass die Rückstände nicht auf einer eigenen Verwendung der Mittel zurückzuführen seien, sondern bei der Spritzung benachbarter konventioneller Weinanbauflächen verursacht sein mussten. Dabei seien Pflanzenschutzmittel per Hubschrauberspritzung durch den Wind weiter auf die Felder der Klägerin getragen worden. Verschärfend wirke noch die geringe Grundstücksbreite des Weinanbaugebietes der Klägerin und die Lage inmitten konventioneller Weinbetriebe.
Eigener biologischer Anbau ist entscheidend
Die Richter am Verwaltungsgericht machten schließlich deutlich, dass es in erster Linie auf die ökologische/biologische Produktionsweise des Landwirts ankäme. Nichts anderes ergebe sich aus den gesetzlichen Bestimmungen zur Abgrenzung von biologischen und konventionellen Lebensmitteln.
Eine Vermarktung des aus den betroffenen Reben gewonnenen Weins als Bio-Wein dürfe demnach stattfinden, weil die Klägerin selbst alle Anforderungen der ökologischen Landwirtschaft erfülle. Die eigene Verwendung von Pflanzenschutzmitteln sei nicht festzustellen. Allein aus den Anhaftungen an den Blättern der Pflanzen könne nicht geschlossen werden, dass die Klägerin die Mittel selbst verwendet habe.
Einen Verstoß gegen das Werberecht sahen die Richter durch eine Bezeichnung als Bio-Wein nicht.
„Bio“ ist doch nicht gleich „Bio“
Gerade in Anbaugebieten von Wein sind Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in von konventionellem Weinbau umgebenen Ökokulturen die Regel. Ausgeschlossen werden Rückstände nur dann, wenn in einem weiten Radius keine konventionellen Anbaugebiete liegen, da ansonsten bei Einsatz von Hubschrauberspritzung eine Verbreitung von Pestiziden durch den Wind nicht verhindert werden kann.
Aber auch bei anderen Anbaugebieten kann eine Verbreitung durch verunreinigtes Wasser oder Abdriften von Spritzungen nicht verhindert werden. Die vom Bio-Siegel umfassten Voraussetzungen sind dennoch erfüllt.
Für den Verbraucher stellt sich zwangsläufig die Frage – wenn Bio draufsteht ist auch wirklich immer Bio drin?
Die Vielfalt der Biosiegel
Andere in Deutschland verbreitete Gütesiegel bieten in vielerlei Hinsicht strengere Anforderungen und damit höhere Qualitätsstandards für den Verbraucher als das staatliche Bio-Siegel.
Eine Landwirtschaft nach den Grundsätzen von „Demeter“ funktioniert beispielsweise nach dem Prinzip der dynamischen Landwirtschaft und beinhaltete strengere Richtlinien in Bezug auf den Einsatz von Futtermitteln, Anbauweisen und verwendete biologische Präparate. Die Landwirte von Demeter leisten damit mehr als in den EU-Richtlinien und nach dem staatlichen Bio-Siegel vorgeschrieben.
Bei der Fülle der unterschiedlichen Siegel, Klassifizierungen und Werbebezeichnungen scheint es für den Verbraucher dennoch fast unmöglich einen transparenten Überblick vom Ursprung ihrer Lebensmittel zu bekommen.
Auf der zivilrechtlichen Ebene wird ein Streit um die zulässige Benutzung von Gütesiegeln in der Werbung mit den Waffen des Wettbewerbsrechts ausgefochten.
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